Eisrosensommer - Die Arena-Thriller
Manchmal tut sie mir leid und manchmal könnt ich sie umbr. . .« Pia unterbrach sich erschrocken.
»Aber hallo!« Patrick sah verblüfft von seiner Zigarettendrehmaschine auf. »Was hegst denn du neuerdings für finstere Gedanken?«
»Na ja«, druckste Pia herum. »Die kriegt mich immer wieder dazu, Dinge zu tun, die ich eigentlich gar nicht tun möchte.«
Patrick kicherte. »Das ist doch bei allen Frauen so.«
»Ja. Und da kannst gerade du echt froh drüber sein!«, versetzte Laura und verpasste ihm einen spielerischen Nackenschlag.
Fabian war der Einzige, den das Thema ernsthaft zu interessieren schien. »Wieso?«, fragte er, »was ist denn mit der Frau?«
»Na jaaa…«, Pia verzog das Gesicht zu einer genervten Grimasse, »manchmal geht es mir auf den Keks, dass meine Eltern ständig nur jobmäßig unterwegs sind. Aber so was wie Rebeccas Mutter möcht ich trotzdem nicht geschenkt haben! Die gluckt tagein, tagaus immer nur mit ihrer Tochter zusammen. Früher hat sie wohl mal als Pflegerin gearbeitet oder so. Aber jetzt hockt sie den ganzen Tag zu Hause, liest Bücher von irgendwelchen selbst ernannten Gurus und bastelt Perlenmobiles!«
»Perlenmobiles?!« Katja steckte demonstrativ den Finger in den Hals und machte Kotzgeräusche.
»Na ja, das wär ja alles noch okay, aber sie hat sich ein Weltbild zusammengestrickt, das…« Pia hob die Schultern. Wie sollte sie das erklären? »…das einfach alles ausblendet, was nicht reinpasst: Wenn ihre Tochter – zum Beispiel – die Schule nicht schafft, ist das in ihren Augen ein Zeichen für überirdische Erleuchtung.«
Die ganze Truppe brach in schallendes Gelächter aus.
»Dann bin ich mindestens ’ne Stalllaterne!«, feixte Marlon.
»Super!«, kicherte Laura, »kann ich das schriftlich haben? Meine Eltern würde das total beruhigen!«
»Und bei ’ner Fünf in Mathe? Kann man da über’s Wasser gehen?«
Pia hatte das alles nicht im Geringsten witzig gemeint. Aber wenigstens war damit die trübe Stimmung erst einmal verflogen. Sie ließ die anderen weiter über ihre jeweiligen Erleuchtungsgrade herumalbern und warf einen Blick in Fabians Resümee zum heutigen Fall: Der Junge war gerade mal sechzehn und betrieb Schwarzfahren quasi als Leistungssport. Es gab offenbar einen ganzen Schwarzfahrer-Ring, der sich gegenseitig mittels App vor Kontrolleuren warnte.
Vielleicht käm ’ne Schüler-Flatrate die Verkehrsbetriebe billiger, dachte Pia. Aber das war ja leider nicht das heutige Thema.
Wenige Tage später begannen die Endproben von Iphigene auf Tauris. Pia wurde in ein nachthemdartiges Gewand aus graugrünem Leinen gesteckt und musste diesmal ausnahmsweise keine schweißtreibende Perücke tragen.
Dafür gestaltete sich der Probenablauf mehr als schwierig: Der Regisseur hatte sich in den Kopf gesetzt, ein leibhaftiges Lamm auf die Bühne zu bringen, und das Tier erwies sich trotz guten Zuredens weder als stubenrein noch sonst in irgendeiner Weise dressierbar.
Dazu kam, dass der kleine František wild entschlossen war, seine Vier in Latein auf eine Drei plus zu verbessern. Proben, Nachhilfestunden und Krankenhausbesuche: Pias Terminplan platzte aus allen Nähten!
Zu ihrer Überraschung hatte Nele sich sofort erboten, Pia zu vertreten und einmal in der Woche nach Knauthain hinauszufahren, um nach Lennarts Pflanzen zu sehen. »Schwesterchen, ich hab mir das mit den Karmapunkten überlegt: Ich könnte auch ’n paar gebrauchen!«, hatte sie erklärt. »Außerdem ist er echt charming, dein neuer Lover!«
»Hör auf mit deinen blöden Sprüchen!« Pia fuhr regelmäßig aus der Haut, wenn Nele Anspielungen in Sachen »Lover« machte. Obwohl Lennarts wiedergewonnenes Lächeln eine Seite an ihm offenbarte, die Pia bisher entgangen war. Und er hatte wunderbar weiche Haare…
Wie dem auch sei: Es gibt nicht den geringsten Grund, mein Schwesterherz in diese Dinge einzuweihen!
»Ich les ihm regelmäßig aus Alexander von Humboldts Südamerikabericht vor«, hatte Pia stattdessen erklärt; betont kühl, damit die Frotzeleien ihrer Schwester möglichst schnell ein Ende nahmen.
Doch Nele hatte sie regelrecht ausgelacht. »Ich glaub, du könntest ihm auch das Telefonbuch von Hannoversch Münden vorlesen: Das fänd er wahrscheinlich genauso sexy.«
»Blödsinn!«
Dass das Buch sie selber – völlig unerwartet – gepackt hatte, verschwieg Pia ihrer Schwester.
Kautschuk, Curare, Kannibalen…
Allmählich begann sie zu begreifen, was Lennart an fremden
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