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Eisrosensommer - Die Arena-Thriller

Eisrosensommer - Die Arena-Thriller

Titel: Eisrosensommer - Die Arena-Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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drüber nachdenken«, sagte Nele und legte ihr den Arm um die Schultern. »Jedenfalls nicht jetzt.«
    Während ein Angestellter des Bestattungsinstituts letzte Hand an das Blumenarrangement auf dem Sarg legte, trafen die ersten Trauergäste auf dem Parkplatz ein.
    »Perfekt!« Rebecca drehte sich zufrieden vor dem Spiegel in ihrem Zimmer. Sie hatte sich für das Engelsgewand entschieden, das sie bei ihrem ersten Besuch auf dem Petershof getragen hatte. Lennart Peters hatte es nicht gemocht, Jonas dafür umso mehr. Verzückt sog sie den Geruch der dünnen weißen Baumwolle ein. Das Kleid war frisch gewaschen und duftete herrlich.
    Als sie in die Küche hinunterkam, saß ihre Mutter im Bademantel am Tisch und rührte abwesend in ihrer Kaffeetasse.
    »Jetzt mach schon! Ich will nicht, dass wir zu spät kommen.«
    »Becky, lass mich doch! Warum muss ich da hin?«
    »Weil es besser aussieht, wenn du mitkommst.«
    »Wen interessiert das schon?«
    »Mich.«
    »Aber…«
    »Nichts aber.« Rebecca Matussek nahm ihrer Mutter die Tasse aus der Hand und schüttete den Inhalt in den Ausguss. »So. Und jetzt mach schon!«
    »Beckylein, erspar mir das doch bitte!«, flehte Therese Matussek, »ich kann dich ja gern hinfahren, aber mit rein muss ich doch nicht!«
    Rebecca zog ihre Mutter von der Küchenbank hoch und starrte ihr in die Augen, als wollte sie sie hypnotisieren. »Du wirst dich jetzt anziehen, okay? Und du wirst dich zusammenreißen! Verstanden?«
    Therese Matussek nickte matt und ihre Tochter ließ sie los.
    »Ich hab dir das kurzärmelige Kleid mit der dunklen Jacke rausgehängt. In zehn Minuten fahren wir.«
    Die Kapellenanlage auf dem Südfriedhof glich von außen einer mittelalterlichen Burg mit Säulengang, Türmen und goldenen Dachreitern.
    Wunderschön, dachte Pia, beinahe romantisch. Wenn die zwei schrecklichen Dinger da nicht wären.
    Die an Fabrikschornsteine erinnernden Kamine gehörten zum Krematorium; dem Ort, an den Jonas’ Sarg im Anschluss an die Trauerfeier gebracht werden würde.
    Pia ging, flankiert von Nele und Christian, vom Nordtor aus auf die Kapellenanlage zu: Ein breiter, gepflasterter Doppelweg mit einer Unzahl einheitlicher, rotbrauner Gedenksteine. An seinem hinteren Ende hob eine Bronzeplastik anklagend den Arm und auf dem Mittelbeet wuchsen Rosen.
    Christian machte eine ausholende Geste. »Der ehemalige Sozialistische Ehrenhain!«
    Dann deutete er auf ein Reihe kleiner Bäumchen, die sich den Namen »Allee« noch verdienen musste. »Tja… noch kurz vor der Wende haben sie die schönen, alten Linden hier gefällt und alles plattgemacht, um Platz für ihre Großkundgebungen zu haben.«
    Nele schüttelte den Kopf. »Tz. Was man sich als Toter so alles gefallen lassen muss…«
    In der Trauerhalle gab es keine kirchlichen Symbole und keine Kränze. Auf dem metallisch glänzenden Sarg – weiß und schmucklos – lag ein Gesteck aus Efeu, Lilien und blassgelben Gerbera.
    Pia konnte sich einfach nicht vorstellen, dass Jonas da vorn in diesem Kasten lag, und im Grunde wollte sie das auch gar nicht.
    Anstelle eines christlichen Rituals hielt ein bärtiger Mittvierziger die Totenrede, und statt der Bibel wurde Richard von Weizsäcker zitiert: »Wenn Jugendliche zu Brandstiftern und Mördern werden, dann liegt die Schuld nicht allein bei ihnen, sondern bei uns allen, die Einfluss auf Erziehung haben: bei den Familien und Schulen, den Vereinen und Gemeinden, bei uns Politikern.«
    »Na toll. Da macht es sich einer ganz schön leicht«, flüsterte Nele.
    Christian zuckte die Achseln. »Ist halt einfacher, ’n Promi zu zitieren, als sich eigene Gedanken zu machen.«
    Pia ließ ihren Blick über die Anwesenden schweifen. Viele waren nicht gekommen: Ein paar Bekannte und Nachbarn – vielleicht waren auch ein, zwei Lehrer darunter – und nicht mehr als eine Handvoll gleichaltriger Mitschüler.
    Jonas’ Eltern saßen in der ersten Reihe. Der Vorwurf, der in den Worten des Totenredners lag, ging offenbar an ihnen vorbei: Jonas’ Mutter – sehr elegant, mit großem schwarzem Hut – hielt den Blick bewegungslos auf das Sträußchen weißer Rosen in ihren Händen gerichtet und Jonas’ Vater hatte den Arm um eine alte Dame zu seiner Rechten gelegt. Sie weinte bitterlich.
    Offenbar Jonas’ Großmutter.
    »…Unverstanden und einsam, vergeblich auf der Suche nach Freundschaft, Liebe und Zuneigung…«, hörte Pia den Redner sagen. Augenblicklich verspürte sie ein schwer zu zügelndes Verlangen,

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