Eisrosensommer - Die Arena-Thriller
Furchtbar.«
»Ja«, sagte Pia.
Sie dachte daran, wie es hätte sein können mit Jonas. Sie stellte sich vor, dass alles vielleicht ganz anders gekommen wäre, wenn sie um ihn gekämpft hätte.
Aber wie kämpft man um einen Menschen? Und wie weit muss man dabei gehen?
War es richtig, sich einfach wehtun zu lassen? Sich einfach wie ein beliebiges Spielzeug beiseiteschieben zu lassen?
Klar kann sich der, den man liebt, in jemand anderes verlieben. Aber das heißt noch lange nicht, dass er sich deswegen mies verhalten muss.
»Nichts wiedergutmachen können…«
Jonas würde für nichts, was er getan hatte, jemals um Verzeihung bitten können.
Tamara Peters riss sie aus ihren Gedanken.
»Du hast recht, Pia. Es ist besser, wenn wir Lennart nichts von alldem sagen. Bis es ihm wieder besser geht.«
Pia nickte. »Seh ich genauso.«
»Ey, Alda! Post für dich!«, trompetete Mario Holldack und schwenkte einen braunen Din-A5-Umschlag über seinem Kopf, als handle es sich um eine Trophäe.
Die zweite Zeile auf seinem Namensschildchen wies ihn als Auszubildenden im Bereich Krankenpflege aus.
»Kein Absender…« Er betastete den Inhalt. ».…Aber dicker als ’n Liebesbrief! Soll ich mal aufmachen?«
Er wartete nicht ab, ob und wie Lennart auf seine Frage reagieren würde. Neugierig öffnete er den Umschlag und schüttete seinen Inhalt auf den Nachttisch.
»Wie doof…« Sichtlich enttäuscht blätterte Mario Holldack durch die Zeitungsausschnitte und murmelte die entsprechenden Schlagzeilen vor sich hin: »Reitermörder: War es Selbstmord? Mutmaßlicher Täter tot aufgefunden! Forststudentin Doris K. kämpfte verzweifelt um sein Leben.« Er warf einen raschen Blick auf das entsprechende Foto. »Coole Braut«, konstatierte er, »aber ’n echt abartiges Outfit.«
Dann runzelte er die Stirn und studierte die Rückseiten der Zeitungsausschnitte. Aber auch dort fand sich nichts Interessantes. »Ey, Alda, wer schickt dir denn so was Schnarchblödes?«
Als er sich endlich Lennart Peters zuwandte, ließ ihn sein Anblick reflexartig den Umschlag mitsamt seinem Inhalt an sich reißen und fluchtartig das Zimmer verlassen.
»Schnell! Jemand auf Zimmer 213!«, brüllte er, »der Typ atmet nicht mehr!«
Dann rannte er zur Besuchertoilette und ließ die unheilvollen Zeitungsausschnitte in der Hygienebox der Damentoilette verschwinden. Den Umschlag zerriss er in kleine Stückchen und spülte sie im Herrenklo herunter. Sie kamen immer wieder hoch, und selbst nachdem er mit der Bürste nachgeholfen hatte, dauerte es eine Ewigkeit, bis endlich auch der letzte Schnipsel verschwunden war.
Mario Holldack war zufrieden.
Er hatte lange gebraucht, bis er eine Lehrstelle gefunden hatte, und die Arbeit im Krankenhaus machte ihm Spaß. Warum sollte er das Ganze wegen ein bisschen Neugierde aufs Spiel setzen? Sie würden das womöglich sogar aufbauschen, von wegen Verletzung des Postgeheimnisses und so weiter.
Den Rest seines schlechten Gewissens beruhigte er damit, dass der Absender keine persönliche Nachricht dazugelegt hatte: So wichtig konnte der Inhalt also nicht sein!
Über den Grund für Lennart Peters’ extreme Reaktion machte er sich keine weiteren Gedanken. Der Name »Jonas R.«, um den es in den Zeitungsartikeln ging, sagte ihm gar nichts.
Und wer auch immer Lennart die Artikel geschickt hatte, konnte ihm eigentlich sogar dankbar für die Vernichtungsaktion sein: Immerhin hatte er damit verhindert, dass man den Absender wegen des verheerenden Effekts, den sein anonymer Brief hatte, zur Verantwortung zog.
Es gab keine Beerdigung. Jonas würde eingeäschert werden.
»…Die Sargfeier findet in der Trauerhalle West auf dem Südfriedhof, Friedhofsweg 3 statt.«
Nele setzte sich neben Pia auf die Rückbank und Pia hielt dankbar die Hand ihrer ungewöhnlich schweigsamen Schwester umklammert, während Christian den Porsche durch den morgendlichen Berufsverkehr dirigierte.
Die beiden hatten sich sofort bereit erklärt, Pia zu begleiten.
Es war ein strahlend sonniger Tag.
Nur im Fernsehen regnet es immer auf Friedhöfen…
Vergeblich versuchte Pia, das Bild von Jonas zu verscheuchen: Wie er da gestanden hatte an ihrem ersten Abend, den Kopf leicht zur Seite geneigt.
»Na?«, hatte er gesagt. Mehr nicht. Und augenblicklich waren ihre Knie weich geworden und ihr Herz hatte sich angefühlt wie eine glühend heiße, rotierende Kugel.
»Bestimmt wäre alles ganz anders gekommen, wenn…«, hörte sie sich sagen.
»Nicht
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