Eisseele - Schlieper, B: Eisseele
mit Kim vor der Arbeit gelernt habe«, lächelt Zoe mit ihrem ehrlichsten Augenaufschlag.
»Das hat sich offenbar gelohnt«, grinst Herr Berg zurück.
Zoe spürt Langes Blick auf sich. Kurz und irritiert guckt der Deutschlehrer immer wieder zu ihr hin. Zoe hatte sich noch einmal zu einer Interpretation hinreißen lassen. Sie hatte schon geahnt, dass der Lehrer ihre Ansicht wieder mal nicht teilen würde. Aber für sie ist die Sache klar: Da ist dieser Alfred, der sich schuldig gemacht hat. Und da ist diese Claire, die sich rächt. Die die Schuld zurückzahlen will. Die ganzen anderen Typen drumherum interessieren Zoe nicht. Gut, die Bürger aus diesem Kaff, die sich von der reichen Frau kaufen lassen, sind irgendwie link und feige. Aber sie sind doch nicht wichtig – sie sind wie eine fade Salatbeilage zum Essen. Es geht allein um die gerechte Strafe. Um die Sache zwischen Alfred und Claire. Der Lange fragt immer wieder nach: Was Zoe von Vergebung hält. Ob es nicht andere Wege gegeben hätte, um das Gefühl der Rache zu befriedigen. Zoe lässt sich nicht beirren. Sie findet, dass diese alte Frau es genau richtig macht. Sie hat doch eigentlich keine andere Wahl. Sie muss so handeln. Völlig schlüssig.
»So, und du warst fleißig und hast Boote geschrubbt?«
In der kurzen Pause kommt Kim zu Saskia, die neben Zoe sitzt, und grinst frech. Saskias Kopf dreht sich ruckartig zu Zoe. Hatte sie ihre Freundin nicht gebeten, den Mund zu halten? Was hat Zoe Kim alles erzählt? Saskias Gesichtsfarbe steigert sich von rosa zu kaminrot. Zoe legt beiläufig die Hand auf Saskias Knie.
»Stimmt, ich habe Kim erzählt, dass ich dich zufällig getroffen habe, als ich mit Julian unterwegs war und dringend Pipi musste. Habe ich eigentlich schon erzählt, dass Julian jetzt eine Freundin hat?«, wechselt sie rasant das Thema.
»Was?« Die beiden Mädchen schreien fast.
»Habe ich das echt noch nicht erzählt?«
»Nein«, fängt Kim sich als erste. »Wen denn? Und seit wann? Egal. Egal, wer es ist, er tut das nur, um dich eifersüchtig zu machen«, fährt sie fort.
»Es kann doch nicht sein, dass ich das noch nicht erzählt habe«, sagt Zoe und grinst.
»Dann erzähl es doch jetzt. Hast du sie zusammen gesehen?«, will Saskia wissen. Ihre Gesichtsfarbe ist wieder zart rosa geworden. Und genau das wollte Zoe ja erreichen.
»Ach, jetzt fällt es mir ein, warum ich das noch nicht erzählt habe. Weil es nämlich nicht stimmt«, lacht Zoe.
Die beiden Freundinnen verziehen die Gesichter.
»Du bist link, gemein und garstig.« Kim tut so, als sei sie wirklich wütend.
»Kim, spricht man so mit jemandem, der einem dermaßen geholfen hat?«
Die drei Mädchen hatten gar nicht mitbekommen, dass der Berg ins Klassenzimmer gekommen war. Sofort lässt Kim sich auf ihren Stuhl gleiten und lächelt entschuldigend.
Zehn Minuten später starrt sie auf ihr Heft. Dann starrt sie Zoe an, anschließend wieder auf die Zensur.
Unter ihrer Arbeit steht eine große rote zwei. Dahinter ist ein langes Minus. Kim kann es nicht glauben. Eine Zwei minus. In Mathe. Das ist fast zu gut. Das ist schon fast unglaubwürdig.
»Zoe, vielleicht solltest du hier meinen Job machen. Immerhin hast du es offenbar in kürzester Zeit geschafft, der lieben Kim Zusammenhänge zu erklären, die ich ihr seit Wochen verständlich machen will«, lacht Herr Berg. Wenn er wüsste, in wie kurzer Zeit das Wissen in Kims Kopf gekommen ist. Zoe selber registriert ohne große Emotionen ihre Eins. Sie freut sich natürlich. Aber nicht übermäßig. Mathe macht ihr Spaß. Da ist alles klar und eindeutig. Da gibt es richtig und falsch. Und nichts dazwischen.
Lilly hat schon alles vorbereitet. Chips stehen in großen Mengen bereit. Sie hat sogar Popcorn selbst gemacht. Die vier Mädels lassen sich in die riesige Couch fallen.
»Wieso Popcorn – ich kaufe mir immer Eis im Kino«, beschwert sich Saskia lachend.
Lilly springt auf und kommt mit vier Magnum-Mandel zurück. Ihr wird stürmisch das Eis aus den Händen gerissen. DVD -Nachmittag bei Lilly, das ist wirklich fast wie Kino. Lillys Eltern haben keinen Fernseher – sie haben einen Beamer unter der Decke hängen und die Bilder flimmern riesengroß auf einer Leinwand. Die Mädchen haben den Film schon drei Mal gesehen. Aber Hilary Duff als Lizzie McGuire ist einfach zu gut. Dann noch die Songs und die Lovestory – einfach nur genial. Die wichtigsten Dialoge sprechen die Mädchen laut mit und johlen. Als nach neunzig Minuten
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