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Eisseele - Schlieper, B: Eisseele

Eisseele - Schlieper, B: Eisseele

Titel: Eisseele - Schlieper, B: Eisseele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Schlieper
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schuldig zu machen – das ist doch viel effektiver.«
    »Das hat Stil? Ist das nicht eher eine Art von Selbstjustiz? Sie hätte ja auch ins Dorf zurückkehren und ihn zur Rede stellen können«, schlägt der Lehrer vor.
    Zoe guckt ihn an. Überrascht, fast wütend.
    »Mit ihm reden? Süß. Und er hätte sich dann entschuldigt? Und alles wäre gut gewesen? So ein Quatsch. Er kann sich nicht entschuldigen. Die Schuld kann niemand von ihm nehmen. Er muss unter ihr zerbrechen. Schuld wird nämlich nie weniger. Die verblasst nicht. Die verliert nie ihre Schärfe. Gleich kommen Sie mir noch mit so einem Quatsch wie: Die Zeit heilt alle Wunden. Es gibt Wunden, die heilen niemals. Die klaffen immer auf, die schmerzen und quälen. Was soll da bitte die Zeit machen? Ist die Zeit Medizin? Oder ein Arzt? Die Zeit heilt nicht. Die Stunden vergehen nur. Und Schuld und Wunden bestehen.«
    Es ist still in der Klasse nach Zoes Ausbruch. Nicht nur ruhig. Auch der Lehrer ringt nach Worten. Was schlummert in diesem Mädchen? Woher kommt dieser Hass, diese Verbitterung?
    »Ich möchte jetzt gerne die anderen Protagonisten kurz beleuchten. Jenny, könntest du uns sagen, wer außer der alten Dame für diese Tragikkomödie wichtig ist«, weicht der Lehrer aus.
    Zoe beruhigt sich nur langsam wieder. Allmählich geht ihr Puls runter. Die feuchten Flecken, die ihre Hände auf der Tischplatte hinterlassen haben, trocknen wieder. Sie spürt von rechts und links kurze, komische Blicke und guckt starr runter auf ihr Buch. Sie hätte das nicht sagen sollen. Aber die Worte sind von alleine aus ihrem Mund gekommen. Haben sie nicht gefragt. Und außerdem: Sie hat doch recht. Und es ist doch das Problem der anderen, wenn die das nicht verstehen.
    Aber was verstehen die schon?
    Was wissen die von Scham und Schuld? Die wissen nicht, wie es ist, wenn diese ungleichen Schwestern in einem toben, sich gegenseitig an die Gurgel springen.
    Am Nachmittag geht Zoe zum Tanzraum. Sie will Christa um Tipps für die Tanz-Aktion in der Schule bitten. Christa findet die Idee super und schlägt vor, dass sie auch bei dieser Performance Ganzkörperanzüge tragen. Wie die Blue Man Group.
    »Am geilsten ist es wohl, wenn ihr vorher im Takt einfach mit den Fingern in die Farbtöpfe langt und was auf die Leinwände malt. Dann wird die Musik wilder und ihr fangt an, euch gegenseitig anzumalen und mit Farbe zu bewerfen, und räkelt euch dann auf den Leinwänden. Das sieht bestimmt irre aus. Ich kaufe euch auf jeden Fall ein Bild ab«, verspricht die Tanzlehrerin.
    Stundenlang hört sich Zoe am Abend durchs Netz auf der Suche nach dem richtigen Song. Er muss hart sein, eingängig, sehr rhythmisch, mächtig, einfach ekstatisch.
    Anhand der Telefonnummer hat Zoe erkannt, dass Kim am anderen Ende des Handys ist. Die meldet sich aber nicht, sondern lacht nur. Sie kann überhaupt nicht aufhören, kichert unaufhörlich in den Hörer. Zoe wartet, bis es ein bisschen leiser wird.
    »Hi Kim, darf ich mitlachen?«
    »Jaha. Du musst auf Facebook, du musst ihn sehen.«
    Kim wird vom nächsten Lachflash überrollt.
    »Wen muss ich sehen?«, fragt Zoe gegen das Prusten.
    »Fynn.«
    Allein der Name löst einen weiteren Kicheranfall bei Kim aus. Es dauert lange fünf Minuten bis die sich so weit erholt hat, dass sie Zoe stockend erzählen kann, was sie so witzig findet. Als sie sich in dem Social-Network angemeldet hatte, wurde ihr mitgeteilt, dass Saskia und Fynn jetzt befreundet sind. Neugierig hat sich Kim natürlich gleich diesen Fynn mal näher angesehen und dann spontan Zoe angerufen.
    »Der Typ sieht aus, als würde ihm Mami abends noch einen Gutenachtkuss geben. Nach der Gutenachtgeschichte«, lacht Kim.
    »Der ist aus dem Ruderclub«, sagt Zoe.
    »Was? Woher weißt du das? Kennst du den etwa?«
    »Ich habe Saskia und ihn gestern am See gesehen. Die haben die Boote geputzt.«
    » WAS ? Saskia putzt mit dem Milchgesicht freiwillig die Kanus? Ich war letzte Woche bei Saskia zum Essen. Da hat die ihrer Mutter erzählt, sie könne nicht abspülen, weil sie sich am kleinen Finger geschnitten hätte. Saskia hasst alles, was mit Putzen zu tun hat. Die saugt ihr Zimmer erst, wenn sie da ohne Verletzungsgefahr nicht mehr barfuß durchgehen kann«, staunt Kim.
    »Vielleicht macht es mehr Spaß, Schiffe zu putzen als Teller zu spülen«, kontert Zoe schwach.
    »Klar. Das ist bestimmt super befriedigend, den ganzen Schlamm und die vertrockneten Algen da runterzukratzen. Im Ernst: Wenn dieser

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