Eisseele - Schlieper, B: Eisseele
Fynn eine Sahneschnitte wäre, könnte ich das ja noch verstehen. Für irgendeinen tollen Typen, der vielleicht noch mittendrin sein T-Shirt auszieht und mir sein Sixpack zeigt, würde ich auch den Putzlappen schwingen. Aber doch nicht für so einen Fynn. Der trinkt zum Frühstück bestimmt noch Kakao. Oder noch schlimmer: warme Milch.«
»Vielleicht ist das Foto ja älter, das du auf Facebook gesehen hast.«
»Du hast ihn doch gestern live gesehen. Wie war er denn so?«
Zoe überlegt.
»Nett. Irgendwie.«
»Nett. Irgendwie. Alles klar«, lacht Kim.
»Hast du eigentlich schon Mathe gemacht?«, wechselt Zoe abrupt das Thema. Sie will jetzt nicht über Saskia herziehen.
»Du verstehst es echt, einem die Laune zu verderben«, stöhnt Kim. »Dabei habe ich es versucht. Echt. Aber irgendwie verstehe ich gar nicht, was ich da machen soll. Ich glaube, ich bin morgen krank. Ich habe schon so ein Kratzen im Hals.«
»Komm, schnapp dir dein Heft. Ich diktier dir das. Wenn du morgen früh nicht in die Schule gehst, kannst du morgen Nachmittag auch nicht raus. Und das Wetter soll noch besser werden.«
Eine Viertelstunde später hat Kim ihre Mathehausaufgaben im Heft stehen und verspricht, sich dafür am nächsten Tag mit einem Erdbeer-Shake bei Zoe zu bedanken.
»Und dann kann uns Saskia erstmal alles über den geheimnisvollen Fynn und ihre neue Leidenschaft für Spülhände erzählen«, freut sich Kim.
Zoe verdreht die Augen. Die arme Saskia.
Auf dem Weg nach unten trifft Zoe auf ihre Mutter, die gerade aus Franziskas Zimmer kommt und ganz leise die Tür schließt. Dahinter ist ein leises Wimmern zu hören.
»Was hat sie?«
»Heute Vormittag war die Osteopathin da und hat neue Übungen mit ihr gemacht. Die hat schon angedeutet, dass Franzi danach besonders unruhig sein kann.«
Zoe nickt. Sie war einmal dabei als die Therapeutin mit ihrer Schwester gearbeitet hat. Es sah aus, als wollte sie ihr das Rückgrat brechen. Aber es soll Franzi angeblich guttun.
Als Zoe ins Wohnzimmer kommt, macht ihr Vater gerade die Terrassentür zu. Er war offenbar draußen.
»Im Gartenhaus riecht es total komisch«, sagt er leicht angewidert.
»Nach was denn?«, will ihre Mutter wissen, die hinter Zoe die Treppe runter gekommen ist.
»Ich weiß nicht genau. Es stinkt fies. Als hätte irgendein Tier darein gemacht. Ich konnte aber nichts finden.«
»Wir machen doch die Tür immer zu. Wie soll denn da ein Tier reinkommen? Und außerdem: Was wolltest du in der Hütte?«, fragt Zoe scheinbar beiläufig.
»Ich hatte mir überlegt, dass wir am Wochenende doch gut die Grillsaison einläuten könnten. Ich träume schon lange von Steaks, die nach Holzkohle schmecken«, schwärmt ihr Vater.
»Und nach Grillanzünder«, neckt ihn Zoe. Dafür erntet sie einen Knuff ihres Vaters in die Rippen.
»Die Bruns hat doch neulich ihren kleinen Hund vermisst«, überlegt Sonja Kessler. »Vielleicht hatte der sich ja aus Versehen in der Hütte eingesperrt. Vielleicht stand die Tür offen, er ist rein und dann ist die Tür durch den Wind zugefallen.«
»Genau, und dann hat er sich überlegt, wie er wieder rauskommt, hat sich eine Treppe gebaut, damit er gut an die Klinke kommt, und ist wieder zu Frauchen«, ulkt Zoe.
»Du warst doch neulich dahinten. Wegen dieses Unkraut-Projekts. Warst du da vielleicht in der Hütte und hast aus Versehen die Tür offen gelassen?«, fragt Zoes Mutter. Es klingt noch nicht mal vorwurfsvoll.
»Um genau zu sein, habe ich den Hund da hineingelockt und ihm heimlich nachts Wasser gegeben. Er wollte gar nicht wieder weg«, sagt Zoe ganz ruhig.
»Das kann ich mir vorstellen. Dem würde es hier bestimmt besser gefallen als bei seinem Frauchen. Die krault den irgendwann noch wund. Ich glaube, dass der zwischen den Ohren schon ganz dünnes Fell hat«, lacht ihr Vater.
Zoe lehnt sich zurück.
So ist es immer.
Es kann sich einfach niemand vorstellen, dass sie nicht die liebe, nette, freundliche und stets korrekte Zoe ist, für die sie sie alle halten. Es kann sich niemand vorstellen, dass ausgerechnet sie durch ihren Egoismus so eine Schuld auf sich geladen hat. Ihre Eltern wissen es natürlich. Und sie tun seit Jahren so, als hätten sie gar keine Wut auf Zoe. Als würden sie sie gar nicht verabscheuen. Das ist fast noch schlimmer. Wenn sie ihren Zorn offen zeigen würden, könnte Zoe damit vielleicht besser umgehen. Es wäre nur gerecht. Sie würde ihre Eltern verstehen. Die Trauer, die Verzweiflung, die Ablehnung. Aber
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