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Eisseele - Schlieper, B: Eisseele

Eisseele - Schlieper, B: Eisseele

Titel: Eisseele - Schlieper, B: Eisseele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Schlieper
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so gewesen. Und es ist ihr noch nie so wichtig gewesen. Dieser Carl ist plötzlich wichtig. Sie spürt seine Anwesenheit, auch wenn sie ihn nicht sieht. Sie registriert jede Bewegung. Seines Körpers, seiner Mimik. Und sie ist sich ihrer selbst bewusst. Anders als sonst bewusst. Carl streckt sich, ein Stückchen Bauch blitzt kurz auf. Die Haut ist braun, glatt, fest. Er sieht, dass sie es sieht und zeigt eine kurze Andeutung eines Lächelns.
    »Lass uns doch mal kurz zusammenfassen, was wir bis jetzt haben«, fängt Zoe sich schnell. Glaubt er wirklich, dass sie von drei Quadratzentimeter Bauch beeindruckt sein wird?
    »Ich habe mir überlegt, dass wir unsere Argumente wechselweise vortragen. Und dass wir Schlagwörter aufs Flipchart schreiben«, schlägt Carl vor.
    Schnell sind sie in einer Diskussion über das Referat. Und über Menschen.
    »Man kann das den Leuten von damals nur bedingt vorwerfen. Der Mensch ist einfach ein Herdentier, das nur zu gerne mit der Meute läuft«, sagt Carl. »Vielleicht sollten wir das auch erwähnen.«
    »Du hast keine sehr hohe Meinung von den Menschen, was?«, fragt Zoe vorsichtig.
    »Wenn du dort aufgewachsen wärst, wo ich lebe, hättest du das auch nicht. Auf der einen Seite sind die Menschen da wie Tiere. Jeder denkt nur an sich, das perfekte Beispiel für das berühmte survival of the fittest . Auf der anderen Seite sind sie kaum in der Lage, einen eigenen Gedanken zu bilden. Geschweige denn eine eigene Meinung. Wenn sich da jetzt einer als Führer aufspielen würde und allen Arbeit versprechen würde, wäre der der neue Held. Der Superstar des Blocks«, erklärt Carl kühl.
    »Und du bist anders?«
    »Ist das eine Frage? Das denke ich schon. Ansonsten wäre ich nicht da, wo ich bin. Nicht auf dem Gymnasium, nicht in deinem Zimmer. Aber ich bin auch hier, weil du auch anders bist. Das interessiert mich.«
    Sie will eigentlich nicht fragen, aber die Neugier ist einfach zu groß. »Was ist anders an mir?«
    »Du hast Abgründe. Wie ich. Du bist nicht das fröhliche, stets gut gelaunte Partygirl, das du allen vorspielst. Da ist nicht nur Licht. Du hast Schattenseiten.«
    »Meinst du, eine dunkle Macht wohnt in mir?«, versucht Zoe sich mit einem Witz aus der Ecke zu befreien.
    »Du kannst ruhig ironisch werden. Wenn es dir hilft. Du weißt, dass ich recht habe. Du spürst genau wie ich, dass wir zwei Magneten sind. Ich kann das akzeptieren. Du bestimmt auch irgendwann.«
    Zoe wird kalt. Als bekäme ihr Körper von innen eine Gänsehaut. Und dann hört sie die Haustür. Ihre Mutter ist schon mit Franziska zurück. Viel zu früh. Sie muss jetzt irgendwie Carl hier raus befördern, ohne dass der ihre kleine Schwester sieht. Zoe ist gerade viel zu verletzlich, als dass sie einen überraschten, gar angewiderten Blick von Carl erträgt.
    »Ich gehe mal eben auf Toilette«, sagt sie schnell.
    Im Treppenhaus bleibt sie stehen und lauscht. Ihre Mutter kommt gerade aus Franziskas Zimmer, schließt leise die Tür. Perfekt. Franzi schläft anscheinend.
    »Eigentlich haben wir ja jetzt alles«, sagt Zoe als sie ins Zimmer zurückkommt.
    »Meinst du wirklich? Und was machen wir dann mit dem angebrochenen Nachmittag?«, hatte Carl gefragt.
    »Ich muss noch was für Mathe machen.«
    Er hatte genickt, fünf Minuten später auf der Straße gestanden. Zoe hofft, dass er nicht gemerkt hat wie sie ihn schnell – und ohne dass ihre Mutter ihn sieht und womöglich noch in ein Gespräch verwickelt – loswerden wollte. Doch sein Blick verriet etwas anderes. Kalt hatte er sie angeguckt, fast ein bisschen gekränkt. Sie hatte die Tür schnell hinter ihm geschlossen.
    Als sie in ihr Zimmer kommt, riecht es noch nach ihm. Nach dem Apfelshampoo. Es liegt noch mehr in der Luft, aber Zoe kann es nicht fassen. Sie fängt unkoordiniert an aufzuräumen, kippt dabei die Cola um und ärgert sich maßlos. Sie ist unruhig. Das ärgert sie noch mehr. Als ihre Mutter sie zum Abendessen ruft, ist sie froh über eine Ablenkung. Doch die Geschichten von Sonja Kessler lenken Zoe nur kurz ab. Sie hat einfach gerade kein Ohr für den Stress im Büro, für die Ignoranz gegenüber einer berufstätigen Mutter, für unnötigen bürokratischen Aufwand. Während Sonja Kessler sich aufregt, knabbert Zoe eine Scheibe Schwarzbrot mit Frischkäse.
    »Ich muss jetzt hoch. Noch Mathe machen«, fällt sie ihrer Mutter ins Wort.
    Die stutzt. »Du hast mir noch gar nicht erzählt, was du heute gemacht hast«, beschwert sie sich.
    Zoe

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