Eisseele - Schlieper, B: Eisseele
die verschwitzten Haare, wischte sich den Schweiß im Gesicht ab und schnappte sich ihren CD-Player.
»Los, ab auf den Sportplatz.«
Kim stöhnte, legte ihren Kopf auf Saskias Schulter. »Du hast es gut, du darfst jetzt nach Hause.«
»Komm, Kim, das bisschen Hopsen ist doch die perfekte Cool-down-Phase«, spornte Zoe ihre Freundin an. Sie hatte kein Mitleid. Auch nicht mit sich selbst. Nie.
Warum sie auf dem Sportplatz kurz nach oben guckt, kann sie selber nicht sagen. Vielleicht ist es eine innere Stimme, vielleicht einfach Zufall. Aber sie sieht ihn da oben. Carl sitzt auf dem Flachdach. Er hat die Knie angezogen und wartet. Zoe weiß worauf. Er will zusehen. Und sie spürt seine Blicke bei jeder Bewegung. Ihr wird bewusst, wie sehr ihr verschwitztes T-Shirt an ihr klebt, ihren Körper fast ordinär preisgibt. Sie fühlt, wie seine Augen sie abtasten, einweben. Und sie reckt sich unter diesen Blicken. Die Muskeln und Sehnen schmerzen schon, so angespannt sind sie.
Immer und immer wieder geht sie mit den drei Mädels und den beiden Jungen die Schritte durch. Sie guckt kein einziges Mal mehr nach oben. Sie will nicht, dass er weiß, dass sie weiß, dass er da sitzt.
»Habt ihr geübt?«, fragt sie Leo und Nils nach einer Stunde. Sie ist überrascht von den Mitschülern. Sie stellen sich gar nicht so doof an, wie sie befürchtet hatte. Nils wird rot.
»Ihr habt wirklich geübt«, lacht Kim. »Wie süß.«
»Wir wollen uns halt nicht blamieren«, blafft Leo.
»Hauptsache, ihr blamiert uns nicht«, findet Sarah.
Zoe ist zufrieden mit der Probe. Der Tanz erzählt eine Geschichte. Da sind die beiden Jungs, die Basketball spielen und da kommen die vier Mädchen, die das Duo angreifen wollen. Sie umrunden, umtanzen Leo und Nils. Die laufen auf das Quartett zu, ziehen sich dann zurück. Am Ende stehen jeweils ein Junge und zwei Mädchen auf einer Seite, es haben sich neue Fronten gebildet, bis alle irgendwann zusammen zu einer Gruppe verschmelzen.
»Jetzt müssen wir das nur noch mit der Farbe richtig hinkriegen. Darum geht es ja schließlich. Dass wir mit unseren Bewegungen, Händen, Füßen und den Bällen die Leinwände künstlerisch beschmieren. Das sollten wir auch üben«, findet Zoe.
»Ich bringe das nächste Mal Mehl mit. Damit können wir das ja mal austesten«, schlägt Caro vor.
»Gute Idee. Das ist dann nicht gleich so eine Sauerei«, lobt Zoe sie. »Los kommt, ein letzter Durchgang.«
Noch einmal übt die Gruppe den Tanz. Als Zoe den CD-Spieler ausschaltet, guckt sie durch die Haare kurz hoch. Er ist weg. Aber sie spürt, dass er noch nicht lange fort ist. Sie spürt es in der Luft.
Ihr Körper liegt tonnenschwer im Bett. Aber der Kopf will nicht schlafen. Vor ihren Augen läuft ein Dia-Projektor Amok. Schnell und abgehackt tauchen immer wieder neue Bilder vor ihr auf. Carl ist oft drauf. Sie spürt, wie ihr Herz schneller schlägt. Wie sie die Augen verschließen will, doch das hilft beim Kopfkino einfach nicht. Da gibt es keinen Off-Knopf, noch nicht mal Werbepausen. Sie dreht sich auf den Bauch, fühlt ihr Herz noch stärker, dreht sich auf die Seite, zieht die Beine an. Vor ein paar Jahren hatte sie mal kurz gedacht, dass sie verliebt sei. Natürlich in Julian. Sie war einfach gerne mit ihm zusammen, fand ihn witzig, auch ganz hübsch. Es war in einem gemeinsamen Urlaub gewesen. Sie hatten Tischtennis gespielt, waren viel schwimmen, hatten gegenseitig von ihrem Eis probiert. Zoe war sich sicher, so musste sich wohl Verliebtsein anfühlen. Sie fand es nicht so schlimm. Irgendwann war sie in Julians Zimmer gekommen. Er zog gerade seine Badehose an. Das heißt: Er wollte gerade seine Badehose anziehen. Er stand nackt vor ihr. Da wusste sie, sie war nicht verliebt. Sie fand ihn so nackt peinlich. Es war ihr nicht peinlich, dass sie da reingerauscht war. Sie fand seinen Penis peinlich. Also war sie wohl doch nicht verliebt. Danach konnte sie befreiter mit ihm schwimmen und Tischtennis spielen.
Sie schafft es nun die Frage zu vermeiden, ob sie in Carl verliebt ist. Sie spürt, dass es irgendwas anderes ist. Etwas Größeres.
Die Neue
S ie verquatscht die Pause mit Kim. Die erzählt irgendeine Geschichte aus dem Reitstall, die sie besonders spannend findet. Zoe hört brav und unaufmerksam zu, nickt aber an den richtigen Stellen. Durch den Redeschwall schafft Zoe es nicht mehr auf die Toilette. Sie hatte eigentlich vorgehabt, Herrn Böker heute mal wieder ins Schwitzen zu bringen. Sie trägt den
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