Eisseele - Schlieper, B: Eisseele

zusammengezuckt ist.
    Zoe hält ihr die Dose hin.
    »Haha. Vielleicht kannst du mir das mal großflächig über die Hände streuen. Sonst wird das nie was.«
    Sonja Kessler schafft es irgendwann, aus dem klebrigen Matsch einen Klumpen zu formen. Zoe studiert die Brotbackmischung.
    »Da kann man auch noch Oliven rein tun«, sagt sie. »Das hört sich doch gut an.«
    Eine halbe Stunde später haben sie die ganze Backmischung verarbeitet. Auch Zoes Finger kleben jetzt. Dafür liegen vier Laibe im Ofen. Eins mit Oliven, eins mit getrockneten Tomaten, eins mit Schinkenwürfeln und eins pur.
    Lange hat sich Zoe ihrer Mutter nicht mehr so nah gefühlt. Sie haben gewitzelt, sich mit Mehl eingepudert, überlegt, was sie demnächst noch alles backen wollen. Croissants und gefüllte Blätterteigtaschen, Rosinenbrötchen, Hefezöpfe. Wirklich mögen tut Zoe das alles nicht. Aber das ist nicht wichtig. Seite an Seite in der heißen Küche mit Mama naive Normalität spielen. Das fühlt sich einfach gut an.
    Zu viel Harmonie kann Zoe dann aber doch nicht ertragen, sie verabschiedet sich und macht sich auf den Weg zu Saskia. Irgendwie haben sie lange nicht mehr zusammengesessen und gequatscht. Saskia hat die Rollos unten und ungefähr zwanzig Teelichter an.
    »Feierst du hier eine schwarze Messe?«, fragt Zoe und lässt sich aufs Bett fallen.
    »In dem Licht sehe ich weniger fett aus«, erklärt Saskia.
    »In dem Licht siehst du aus wie ein Gespenst. Und hör endlich auf, über deine Taille nachzudenken.«
    »Welche Taille? Meinst du, ich habe nicht gesehen, wie Julian immer versucht hat, nicht auf meine fetten Oberschenkel zu starren?«
    »Wow, du kannst sehen, wo jemand extra nicht hinguckt? Damit kannst du bei Wetten-dass? auftreten.«
    »Mach dich nur lustig. Wenn ich 34 tragen würde, würde ich auch ganz tolle Witze machen.«
    Sie weiß nicht, dass Zoe schon länger keine 34 mehr trägt. Ist einfach zu weit geworden.
    Zoe kontert: »Überleg doch mal, du kaufst eine Hose und ich kaufe eine Hose. Wir zahlen beide das Gleiche, du bekommst dafür aber mehr Stoff. Das ist total ungerecht. Und? Beschwere ich mich?«
    Saskia grinst schief und versucht im Spiegel zu sehen, wie ihr Po bei Kerzenlicht aussieht.
    Zoe setzt sich auf. »Wie findest du Beth Dito?«
    »Super. Das weißt du.«
    »DIE ist dick. Und macht sich da einen Scheiß draus.«
    »Bin ich so fett wie Beth Dito?«
    »Natürlich nicht. Aber wenn die darauf scheißt, kannst du doch wohl auf zwei Kilo zuviel erst recht kacken, oder?«
    Beide wissen natürlich, dass es um mehr als zwei Kilo geht. Trotzdem tut es Saskia gut, das zu hören. Sie hebt ihr T-Shirt und guckt auf die Speckrolle. Zoe hält es nicht länger aus, wie die Freundin sich quält. Sie steht auf, umarmt Saskia und flüstert ihr ins Ohr: »Du bist die beste, witzigste, treuste, verlässlichste Freundin, die man sich nur vorstellen kann.«
    Saskia kuschelt sich an Zoe. Irgendwann kichert sie: »Klar, wir sind echt dicke Freundinnen.«
    Damit ist das Thema vom Tisch. Sie quatschen noch eine Stunde, gucken bei YouTube vorbei. Als Zoe geht, fühlt Saskia sich nicht dünner, aber besser.

Die Luft wird dünner
    C arl kniet vor ihr und hält den Gurt. Sie bemüht sich, ihn nicht zu berühren.
    »Ich mach den selber zu«, sagt sie schnell, nachdem sie mit beiden Beinen reingestiegen ist. Das fehlt noch, dass Carl jetzt untenrum an ihr rumfummelt. Ihr ist ohnehin schon heiß genug.
    Du willst doch hoch hinaus. Dann komm um vier zum Funpark , lautete die SMS am Vormittag. Sie hatte gleich eine Ahnung gehabt. Die trifft zu. Carl hat stumm zwei Mal den Eintritt für die Kletterhalle bezahlt. Sie hatte auf die SMS nicht geantwortet, er war trotzdem ganz selbstverständlich davon ausgegangen, dass Zoe kommt. Die Mädels waren ein bisschen enttäuscht, als Zoe ihnen vor ein paar Minuten eine SMS geschickt hatte. Kann nicht mit. Muss mich um Franzi kümmern . Sie hatte eigentlich vorgehabt, mit Lilly und Saskia zum Powershoppen in die Stadt zu fahren. Als die SMS kam, hatte sie allerdings keine Sekunde darüber nachgedacht, Carl abzusagen.
    »Nimm für den Anfang mal die blaue Route«, befiehlt Carl ihr.
    Er hält das Seil in der Hand. Zoe fragt nicht, ob er sie wirklich sichern kann. Ob er das schon mal gemacht hat. Sie hofft es nur.
    Sie ist schnell oben. Wenn er sie sichern kann, könnte sie sich jetzt fallen lassen. Sie müsste sich einfach nur mit den Füßen von der Wand abstoßen. Sie war schon mal in der Halle.