Eisseele - Schlieper, B: Eisseele
eins wichtig: keine Regung zeigen, keine Angst, kein Gefühl.
»Können wir jetzt weiter?«, fragt sie. »Mir ist langweilig.«
»Genau deswegen mag ich dich so«, antwortet Carl darauf.
Wie selbstverständlich hilft er ihr wieder über das Loch.
Zehn Minuten später haben sie das Ende des Tunnels erreicht. Das Schloss ist auch hier geöffnet. Geknackt.
Carl springt raus und hält Zoe eine Hand hin. Die guckt an sich runter. Hose und Shirt sind dreckig bis in die letzte Faser.
»Bin ich schmutzig«, stöhnt sie.
»So wie deine Gedanken manchmal, was?«, sagt Carl leise.
Und deswegen mag ich dich so. Dieser Satz wandert durch Zoes Kopf, hält sie vom Schlaf ab. Sie hatte sich schnell verabschiedet am Nachmittag. Sie musste alleine sein. War zu aufgewühlt, um noch irgendwo was zu trinken. Aber Carl hatte sie ja auch gar nicht gefragt.
Er mag mich.
Der Satz strahlt wie in großen Leuchtbuchstaben in ihrem Kopf. Der Satz macht sie glücklich, er macht ihr Angst. Ob sie Carl auch mag, fragt sie sich nicht. Noch nicht.
Eiszeit
S askia stürzt sich sofort auf Zoe, als die ins Klassenzimmer kommt. Zoe hat Mühe zu verstehen, was die Freundin ihr halb-hysterisch ins Ohr zischt. Irgendwann wird Zoe klar, dass Fynn sich erdreistet hat, Saskia noch mal einzuladen. In der Nachbarstadt soll die größte Eisdiele des ganzen Landes eröffnet worden sein. Man kann wählen zwischen ungefähr sieben Millionen Sorten und dann noch ungefähr sieben Millionen Dekorationen; zwischen Liebesperlen, weißer Schokolade oder auch Cornflakes. Die Bedienungen sind auf Rollerblades unterwegs und man kann im Strandkorb oder auch in ausrangierten Autoscooter-Fahrzeugen sitzen. Einmal in der Woche finden Wettbewerbe für Eisskulpturen statt. Saskia kann gar nicht so schnell reden wie sie wütend ist. Sie glaubt, dass es eine ganz gemeine Attacke von diesem Fynn ist. Dass er sie ausgerechnet in so einen Kalorientempel einlädt, wo sie doch ohnehin schon nur mit Ekel ihre Oberschenkel ansehen könnte. Und überhaupt, was das denn solle? Ob er wieder dieses andere Tussi mitbringen wird? Saskia ist zutiefst empört. Zoe liest in ihren Augen, dass Saskia auch zutiefst verletzt ist. Da hat sie alle Bedenken ignoriert und sich mit einem jüngeren Typen getroffen. Sie ist das Risiko eingegangen, von anderen dafür gehänselt zu werden. Und es ist wohl nicht nur das. Zoe wird jetzt erst klar, dass Saskia diesen Welpen wohl richtig gut fand. Oder im schlimmsten Fall noch findet. Sie hat all ihren Mut zusammengenommen und sich mit diesem Fynn verabredet. Und was macht der? Schleppt ein anderes Mädel mit zu einer Verabredung. Saskia muss zutiefst gekränkt und enttäuscht sein. Wenn schon so ein junger Typ so ein fieses Spiel mit ihr spielt, was blüht ihr dann noch? Zoe sieht die Verzweiflung ihrer Freundin.
»Süße, das ist doch super. Du hast die allerbeste Gelegenheit, es diesem Arsch zu zeigen.«
»Und wie? Soll ich mir eine Eistorte bestellen und die ihm dann ins Gesicht drücken? Oder gleich zwei, damit ich für dieses Girlie auch noch eine habe?«
»Quatsch, sei ganz cool. Du gehst einfach mit Julian dorthin. Falls dieser Fynn nämlich in dieses Girlie verknallt ist und dich verarschen will, kann er zusehen, wie die sich ganz langsam in Julian verliebt.«
Saskia starrt sie an.
»Meinst du, Julian kommt mit mir mit?«
»Klar, ich sage ihm einfach, dass sei total wichtig und dass er essen könne, so viel er will, du würdest bezahlen.«
Die Konturen von den roten Flecken auf Saskias Hals werden blasser. Sie nickt langsam. Die Vorstellung von einem Treffen mit Julian an ihrer Seite und einem verstörten Fynn scheint ihr zu gefallen. Sie umarmt Zoe stürmisch und drückt ihr einen dicken Kuss auf die Wange. »Du bist einfach die Beste.«
Zoe lächelt sie an. Manchmal ist es so einfach.
Julian verzieht das Gesicht. »Meinst du, wir finden da so kurzfristig einen freien Tisch mit drei Stühlen?«, stöhnt er.
Zoe stutzt. Wieso drei Stühle? Sie hatte ihm bislang nur mitgeteilt, dass er heute Nachmittag mit Saskia ins Eisland müsse.
»Drei Stühle?«
»Einen für mich und zwei für Saskia. Hast du mal gesehen, wie ihr Hintern auf dem Schulstuhl überlappt? Horror.«
»Ich denke, Saskia wird es schaffen, sich mit einem Stuhl zu begnügen.«
»Hauptsache, sie setzt sich nicht in so einen Autoscooter. Da kommt die nie wieder raus«, grinst Julian.
»Halt die Klappe. Saskia ist meine Freundin. Geh einfach mit ihr da hin und sei nett.
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