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Eistochter

Eistochter

Titel: Eistochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dawn Rae Miller
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mit der Faust auf die Couch, um meine Worte zu unterstreichen.
    Henry beißt die Zähne zusammen, und seine Halsmuskulatur spannt sich an. »Du willst die Wahrheit? Wie wär’s damit?« Seine Stimme wird lauter und trotziger. »Ich glaube, dass Malin einen öffentlichkeitswirksamen Vorwand sucht, entweder gegen die Splittergruppe vorzugehen oder aber gegen die Lichthexen, von denen sie annimmt, dass sie die Splittergruppe unterstützen. Und welcher Grund wäre besser als der, dass sie offen Privatpersonen angreifen – wie ihre Tochter?« Er senkt die zitternde Stimme. »Ich glaube, dass meine Schwester nicht allein Patrick und Beck Channing tot sehen will – sie will sämtliche Lichthexen ausrotten.«
    Alles fügt sich zusammen.
    Ich bin eine Waffe, aber nicht in der Hinsicht, wie ich dachte. Sie wartet nicht darauf, dass ich Beck töte, obwohl ihr das nichts ausmachen würde.
    »Sie will einen Krieg vom Zaun brechen«, flüstere ich. Das Zelt wankt, und rote Blitze lassen alles vor meinen Augen verschwimmen.
    »Ja.«
    Meine Atmung und mein Puls rasen.
    »Malin wird jeden vernichten, den sie in Verdacht hat, dir schaden zu wollen, das musst du mir glauben, Lark. Sie liebt dich, aber sie liebt die Macht noch mehr. Jenseits der Kuppel befindet sich ein Kontingent von Dunkelhexen, das nur auf ein Wort von ihr wartet, um anzugreifen. Sie werden Summer Hill binnen Sekunden in Schutt und Asche legen, wenn Malin es wünscht. Was sie neulich getan haben, war nur eine Warnung. Eamon hat keine Chance gegen sie. Aber sie braucht einen unwiderlegbaren Beweis.«
    Es ist zu heiß in dem kleinen Zelt. Schweißperlen bilden sich an meinem Hals, unter den Armen und auf meiner Oberlippe. Ich fahre mir mit der Hand übers Gesicht, um den Schweiß abzuwischen. Das vertraute Summen des Zorns vibriert in meinem Blut, und Druck baut sich hinter meinen Augen auf.
    »Lark, sieh mich an. Du musst dich konzentrieren, sonst tust du am Ende noch etwas Übereiltes.«
    Aber ich will mich nicht konzentrieren. Ich will handeln. Ich will um mich schlagen und Eamon verletzen; ich will Mutter dafür anschreien, dass sie mich einer Gefahr aussetzt, nachdem sie gerade erst behauptet hat, ich wäre ihr wichtig; ich will allen verkünden, dass ich genug davon habe, ausgenutzt und im Dunkeln gelassen zu werden.
    Aber vor allem will ich loslaufen und Beck suchen – um seine Arme um mich herum zu spüren, die mir Bodenhaftung verleihen und mich aus meinem Zorn herausziehen. Verzweifelt greife ich in Gedanken nach ihm und rufe: Beck? Bitte. Ich brauche dich.
    Eine verzerrte, gedämpfte Antwort dringt zu mir durch, aber ich kann nicht verstehen, was er sagt. Es klingt, als wäre er unter Wasser oder sehr weit weg.
    Ich bin allein. Losgelöst.
    Die Wut droht mich zu übermannen. Ich stehe auf und gehe auf die gegenüberliegende Seite des Zelts. Meine Schritte passen sich dem Takt meines Herzens an. Je schneller es schlägt, desto schneller gehe ich auf und ab, bis meine Bewegungen wohl vor den Augen verschwimmen. Zu meiner Überraschung beruhigt die gleichförmige Bewegung mich: Mein Herzschlag wird langsamer, und meine Gedanken klären sich.
    »Wir dürfen meine Mutter nicht wissen lassen, dass Eamon mich angegriffen hat.« Meine Stimme ist jetzt emotionslos. Ich bin sachlich und distanziert, genau, wie ich es in der Schule gelernt habe.
    Henry nickt. »Ganz meine Meinung. Und wir müssen dich von Eamon fernhalten. Ich werde den Channings von deinem Zusammenstoß mit ihm berichten.«
    Eine Frage liegt mir auf der Zunge. Wenn ich weglaufen würde, wäre die Gefahr vielleicht für alle gebannt. »Wenn die Dunkelhexen hereinkönnen, wann immer sie wollen, kann ich dann gehen? Mit Bethina?«
    Der Gedanke, der Auslöser für einen drohenden Krieg zu sein, belastet mein Gewissen. Wenn ich nicht hier bin, dann wird niemand zu Schaden kommen. Und ehrlich gesagt ist Eamon der Einzige, den ich bestraft sehen will, auch wenn ein Großteil der Lichthexen mich entweder hasst oder fürchtet.
    »Nein. Deine Mutter wird das nicht zulassen. Bethina kann dich nicht beschützen. Wenn du gehst, musst du zu Malin gehen.«

31
    Tod. Krieg. Zerstörung. Das ist meine Zukunft – und alles, was mich davon noch trennt, sind einundzwanzig Tage.
    Meine Finger tauchen auf der Suche nach einer Bresche in der Oberfläche in die dichte Barriere ein, die Summer Hills Kuppel bildet. Selbst wenn ich einen Weg finde, sie zu öffnen, werde ich nicht weit kommen – nicht wenn Annalise und die

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