Eistochter
Verabredung?«
»Jetzt?«
Ich mache ein langes Gesicht. Ich genieße die Zeit, in der wir über normale Dinge reden, da sie mich daran erinnert, dass wir eher Freundinnen als Schülerin und Lehrerin sind.
Sie spricht eilig weiter: »Wenn es dir recht ist.«
»Natürlich!«, lüge ich. »Ich finde den Weg nach Hause auch allein.«
Am Rande der Wiese erscheint Rorik. Eloise richtet sich auf, grinst und läuft zu ihm hinüber.
»Danke, Lark!«, ruft sie mir über die Schulter zu. »Wir sehen uns morgen!«
»Einzelheiten!«, schreie ich ihr nach. »Ich will alle Einzelheiten hören!«
Eloise und Rorik verschwinden im Wald, und ich lasse mich dann wieder auf meinem Platz auf der Wiese nieder.
Bis auf das Zirpen der Grillen ist alles still. Ich würde gern länger hier liegen und meine Einsamkeit auskosten, aber da ich mir nicht sicher bin, wie spät es ist, beschließe ich, zum Haus zurückzukehren. Wenn ich bis Mitternacht nicht zurück bin, werden die Channings einen Suchtrupp losschicken.
Der Waldweg endet am Ostrasen. Im Laufe der letzten Woche ist die Anzahl der Zelte noch gewachsen. Eloise hat mir erzählt, dass jeden Tag mehr Lichthexen eintreffen, um sich auf meinen Geburtstag vorzubereiten.
Ich habe mir noch nicht einmal die Mühe gemacht zu fragen, womit sie rechnen, denn ehrlich gesagt will ich das gar nicht wissen.
Die Nacht verbirgt mich, als ich in Schlangenlinien durch die Zeltstadt spaziere, und niemand achtet auf mich. Allerdings rechnen die Leute auch sicher nicht damit, dass ich hier unten allein herumlaufe.
Der Rauch der Feuer und der Geruch des Abendessens liegen in der Luft. Es ist wohl doch noch nicht so spät, wie ich dachte.
Ich weiche zur Seite aus, um einen Bogen um eine Gruppe von Kindern zu machen, und lande in einer Zeltgasse, in der einige Hexen etwa in meinem Alter mit einem erbitterten Lacrosse-Wettkampf beschäftigt sind. Der Ball zischt, von Magie erhellt, durch die Luft. Ich beobachte die Spieler und hoffe, Beck mitten unter ihnen zu erspähen. Als ich einen großen blonden Hexer entdecke, macht mein Herz einen Satz, aber als er den Ball fallen lässt, erkenne ich, dass es nicht Beck ist.
Um mich herum geht das Leben weiter – Spiele, Gelächter, Spaß. Ich wünschte, ich könnte auch daran teilhaben, aber das kann ich nicht. Jeder Augenblick meines Lebens wird von dem Wissen verzehrt, dass ich eine Bedrohung bin.
Ich biege in einen anderen Gang ab, und ein großes, kreisrundes Zelt ragt vor mir auf. Banner aus jeder der fünf Gesellschaften hängen in seiner Umgebung. Das Zelt des Versammlungsrats, wo offizielle Amtshandlungen vorgenommen werden. Eloise hat es mir gegenüber ein oder zwei Mal erwähnt, aber ich habe nicht das Bedürfnis, es aufzusuchen. Ich biege nach links ab, fort von dem Zelt, und mache mir Sorgen, dass ich Ärger bekomme, wenn ich dabei erwischt werde, wie ich hier herumspaziere.
»Lark …« Die übrigen Worte gehen unter, aber ich bin überzeugt, dass ich meinen Namen gehört habe.
Ich gehe langsam zum Zelt zurück.
»Es ist hoffnungslos. Sie wird nie in der Lage sein, sich zu beherrschen.«
»Ich weiß nicht, warum wir es überhaupt noch versuchen.«
»Sie ist zu gefährlich, als dass wir die Ummantelung entfernen könnten.«
Die Worte brennen mir in den Ohren. Ich sollte nicht lauschen, aber ich kann einfach nicht anders. Um festzustellen, ob mich auch niemand beobachtet, sehe ich mich rasch um und stelle mich dann neben das Zelt.
Die Stimmen sind nun deutlicher zu hören.
»Ihr habt keinen Beweis dafür, dass Lark auch nur einem von euch Schaden zufügen will. Keinen.« Ich schlage die Hand vor den Mund, um meine Überraschung zu bezähmen.
Es ist Bethinas Stimme.
Eine Welle von Schuldgefühlen brandet über mich hinweg. Ich sollte nicht lauschen. Bethina wird mit mir schimpfen, wenn ich erwischt werde.
Als ich mich gerade umdrehen will, um zum Haus zurückzukehren, lässt eine weitere Stimme mich stehen bleiben.
»Beweise?«, knurrt Eamon. »Hast du ihren Ausbruch auf dem Rasen nicht miterlebt? Was willst du denn noch? Dass sie wirklich jemanden tötet? Oder vielleicht wärst du erst zufrieden, wenn Lark eine Naturkatastrophe auslöst, die schlimmer als jede andere ist, die wir je erlebt haben?«
»Mach dich nicht lächerlich«, sagt Beck in ruhigem, festem Ton. Ich schließe die Augen und konzentriere mich darauf, meinen Herzschlag langsam und stetig zu halten. Ich werde ihn nicht wieder beeinflussen.
»Wir sind nicht
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