Eistochter
wissentlich aufgebrochen.«
Gemurmel aus dem Flur.
»Ich wollte, dass sie ganz sie selbst ist, keine zensierte Version, die ihr alle geschaffen habt – keine leere Hülle, die sich nicht offen äußern konnte. Ich wollte, dass sie wieder so wird, wie sie früher war.«
Schmerz durchzuckt meine Schläfen. Ich reibe sie mir und konzentriere mich auf die Worte, die um mich herum brodeln. Der ständige Sprechgesang ist ohrenbetäubend für mich und sorgt dafür, dass ich mich aus dem Gleichgewicht gebracht fühle. Weihrauch weht in den Raum und brennt mir in der Nase.
»Was heißt das?«, frage ich.
Niemand hört mich.
»Bethina«, sage ich lauter, »was hat das zu bedeuten?«
Der Sprechgesang hämmert auf mich ein. Ich halte mir die Ohren zu. Der Lärm ist unerträglich. Er kommt nicht allein aus dem Flur, sondern tönt auch zum Fenster herein. Ein heftiger, pochender Schmerz zwingt mich in die Knie. Ich sinke gequält vornüber.
»Bitte lass doch jemand all das aufhören!«, flehe ich.
Bethina hebt die Hand, und der Sprechgesang kommt zum Erliegen. Der Schmerz lässt nach, aber die Benommenheit um mein Gehirn ist noch vorhanden. Ich nehme alles wie aus weiter Ferne und verlangsamt wahr.
»Es heißt, dass deine Dunkelheit nicht länger gebändigt ist. Beck wusste, dass er durch den Kuss die Ummantelung aufbrechen würde.« Sie legt Mrs. Channing die Hand auf den Rücken. »Verzeih mir, Margo. Ich hätte ihn niemals hinter Lark herschicken sollen. Ich hätte nicht gedacht, dass sie sich so verhalten würden.«
Mrs. Channings Augen blicken hart und kalt. »Da hast du dich geirrt, nicht wahr? Und jetzt sieh doch!« Sie starrt mich böse an. »Sieh dir die beiden nur an! Es ist nicht zu leugnen, was sie getan haben.«
Zum ersten Mal bemerke ich ein schwaches gelbes Leuchten um Beck herum. Seine Augen strahlen, sein lockiges Haar ist in Unordnung, und mit der Schönheit seines Gesichts kann kein anderes mithalten. Mrs. Channing durchquert das Zimmer schneller, als mein Verstand es wahrnehmen kann, und packt mich am Ellbogen. Ihre Nägel dringen in meine nackten Arme ein, als sie mich zum Spiegel stößt.
»Sieh dich doch nur an!«
Als ich mein Spiegelbild erblicke, schnappe ich nach Luft. Das gleiche gelbe Leuchten umgibt mich. Meine Augen sind so strahlend wie Becks.
Ich drehe mich zu ihm um. »Was hast du noch getan?«
Er hebt meine Hand hoch. Mit dem Finger zeichnet er mir das vertraute Muster auf den Handrücken und küsst mich dann. Ich versuche, mich dagegen zu sperren, aber seine weichen Lippen legen sich entschlossen auf meine.
Mein Körper schmiegt sich an ihn, als er mich hochzieht. Meine Füße schweben über dem Boden. Eine Hitzewelle durchströmt meinen Körper, und ich erwidere seinen Kuss mit größerer Leidenschaft als jeden Kuss aus der vorangegangenen Nacht.
Er lässt mich wieder zu Boden sinken und eine Hand meinen Rücken hinabgleiten, während er mir die andere in den Nacken legt. Instinktiv trete ich näher an ihn heran und schlinge die Arme enger um ihn. Ich will ihn nie mehr loslassen. Es gibt im Zimmer nichts außer uns beiden.
Ein nachdrückliches Räuspern bricht den Bann. Beck küsst mich unsanft und löst sich aus meiner Umarmung. Ich lehne mich außer Atem an ihn, das Gesicht nach oben gewandt.
Seine leuchtenden Augen mustern mich. »Als du gestern Abend gesagt hast, dass du mich liebst, hat uns das für immer aneinandergebunden. Jetzt wirst du mich nie mehr los.«
Ich stolpere zurück, als hätten seine Worte mich von ihm gestoßen. Meine benebelten Gedanken überschlagen sich. Er hat uns aneinandergebunden? Für immer?
Der Ernst der Lage wird mir schlagartig bewusst. »Nein!«
Das Zimmer neigt sich unter mir, aber ich stürze nicht. Starke Arme halten mich. Becks Arme. Der Sprechgesang setzt wieder ein, diesmal donnernd.
»Das kann nicht sein.« Ich sehe Bethina an, aber ihr Gesicht ist ausdruckslos und verrät mir nichts. »Wir sind nicht alt genug. Es ist unmöglich.«
Mrs. Channing begräbt das Gesicht im Hemd ihres Mannes. In der Ecke schüttelt Eloise den Kopf und wendet mir den Rücken zu.
»Beck, geh für eine Weile in dein eigenes Zimmer. Lass uns ein wenig Zeit, die Sache zu klären.« Mr. Channing macht keinen Vorschlag – er gibt einen Befehl.
Beck lässt sich nicht einschüchtern. »Nein«, sagt er entschieden. »Lark ist meine Partnerin. Ich bin an sie gebunden, und ich lasse sie unter keinen Umständen mit euch allein.«
Mein Verstand müht sich ab,
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