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Eistod

Eistod

Titel: Eistod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
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wurde laut: »Bei diesem Projekt geschieht nichts, ohne dass du es weißt. Das ist dir hoffentlich klar. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.«
    Schwinn zuckte die Schultern.
    »Woher hast du dieses Ding überhaupt«, wollte Winter wissen. Er sah auf die Uhr.
    Wieder zögerte der Assistent. »Ich darf … ich kann dir das nicht sagen, Theo.«
    Der Professor verdrehte die Augen. Dann gab er Schwinn den Bericht zurück und meinte: »Na also! Ich hab keine Ahnung, aus welchen dubiosen Quellen dieses Papier stammt. Mir jedenfalls sagt es nichts.«
    Konrad Schwinn fiel es schwer, das zu glauben. »Steckt Frank Hummer dahinter?«, fragte er zögerlich. »Ich hab ihn vorhin gesehen … fahren wir zweigleisig? Du kannst es mir sagen …«
    »Nein, Herrgott noch mal! Frank hat damit überhaupt nichts zu tun.« Wütend stand der Professor auf. »Vergiss es, Koni! Konzentrier dich lieber auf unsere Studie. Schließlich haben wir dort schon genug Probleme, seit wir wegen des Tierschutzes den Marmoset-Versuch abbrechen mussten.«
    Schwinn steckte die Papiere zurück in die Mappe und stand ebenfalls auf. Ohne ein weiteres Wort verließen sie das Büro.
    Der Assistent wurde aus Winter nicht schlau. Sie hatten immer ein Vertrauensverhältnis gehabt, warum setzte Winter es jetzt aufs Spiel? So aufgebracht, wie der Professor war, konnte er ihn unmöglich noch auf die zweite Sache ansprechen. Auf den Bericht, den er in Zimmerwald übersetzt hatte. Und darauf, dass er darin Winters Namen im Zusammenhang mit biochemischen Substanzen, die von amerikanischen Geheimdienstleuten in den Verhören eingesetzt wurden, entdeckt hatte.
    Während sie die Treppen hinunter zum Ausgang gingen, betrachtete Schwinn die kahlen Wände, den rau belassenen Beton, an dem in hundert Jahren nie ein Bild gehangen hatte. Auf einmal hatte das matte Grau, das von allen Seiten den Raum beherrschte, etwas Fremdes.

8
    Am nächsten Morgen lag neuer Schnee. Nicht so viel, dass es eine Sensation gewesen wäre oder die Räumungsbetriebe vor neue Probleme gestellt hätte. Es war ein weißer Anstrich, der die Patina überdeckte und Straßen und Trottoirs wieder weiß glänzen ließ.
    Eschenbach war früh aufgestanden. Wie schon die Nächte zuvor hatte er schlecht geschlafen, war immer wieder aufgewacht und aufgesessen. Hatte sich quer ins Bett gelegt, um den leeren Platz an seiner Seite auszufüllen. Und wenn er dann nach zwei oder drei Stunden abermals aufgewacht war, lag er wieder dort, wo er immer gelegen hatte. Auf seiner Seite, neben Corina, die nicht da war.
    Gegen halb sechs stand er am Schiffssteg beim Storchen und sah auf die Limmat. Am Ufer hatte sich Eis angesetzt. Es hielt sich fest an den alten Steinen der Mauer, wagte sich einen Meter hinaus aufs offene Wasser und wurde durchsichtig wie Glas. Zerbrechlich. Eschenbach fragte sich, ob, wenn es weiterhin so kalt bliebe, der See bald zufröre. Wie 1963 , als dies das letzte Mal der Fall gewesen war.
    Auf dem Rückweg entdeckte er seine Fußspuren, die ihm mitten auf der Strehlgasse entgegenkamen. Eschenbach verfolgte sie zurück, bis zur Wohnungstür. Dort vermischten sie sich: die heimkehrenden und die fortgehenden Schritte; zusammen mit jenen des Zeitungsboten, der in der Zwischenzeit vorbeigekommen war.

    »Institut Professor Winter, mein Name ist Juliet Ehrat. Was kann ich für Sie tun?«
    Es war Viertel nach acht. Der Kommissar saß in seinem Büro, hatte den Telefonhörer am Ohr und stellte sich gerade eine Schweizer Version von Juliette Binoche vor. Er erklärte, weshalb er anrief.
    »Ich muss Sie leider enttäuschen, Herr Schwinn ist derzeit nicht im Hause.«
    »Dann verbinden Sie mich bitte mit Professor Winter …« Und bevor ihn Frau Ehrat abwimmeln konnte, fügte er noch hinzu: »Wir kennen uns privat.«
    Es verging eine Weile. In der Leitung scherbelte Bachs Wohltemperiertes Klavier .
    »Der Professor telefoniert gerade …«, meldete sich die Stimme zurück. »Aber er hat gesagt, er würde Sie gerne treffen. Morgen, um zehn. Das wäre schön.«
    »Morgen?«, murmelte der Kommissar und suchte seine Agenda. »Ist es denn so wichtig?«
    »Nein, im Gegenteil. Von unserer Seite liegt nichts vor. Der Professor meinte nur, es wäre schön, Sie nach so langer Zeit wieder einmal zu treffen. Zu einem Kaffee … und wenn Sie mögen, auch zu einem Stück Kuchen.«
    Eschenbach fand die Agenda. Sie diente zwei Mokkatassen als Unterlage. Er blätterte sich durch den Januar. »Um zehn also …« Dann merkte

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