Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eistod

Eistod

Titel: Eistod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
Vom Netzwerk:
Kaffee nach und wartete einen Moment. Als niemand das Wort ergriff, setzte er seine Ausführungen fort. »Da führt es auch nicht weiter, wenn man Koczojewic über Interpol, Europol oder jeden anderen erdenklichen Dienst suchen lässt und die Negativmeldungen groß in den Anhang klemmt. Koczojewic ist wie Müller mit zwei X.«
    Der Stabsoffizier, der Protokoll führte und selbst einen italienischen Namen trug, lachte still in sich hinein.
    »Natürlich kann es sein, dass jemand den Namen falsch in Erinnerung hatte. Dass unser Mann tatsächlich Kecojevic hieß. Das wäre dann Müller mit zwei L. Aber mehr noch hat mich der Umstand stutzig gemacht, dass ein Türke seinen Kollegen vom Balkan – der laut Zeugenaussagen höchstens zwei, drei Tage als Taglöhner dort gearbeitet hatte – mit Vor- und Nachnamen kannte.« Eschenbach sah hinüber zum Stabsoffizier. »Giancarlo Boscardin …« Der Kommissar betonte jede einzelne Silbe. »Ich brauchte drei Wochen, bis ich mir Ihren Namen korrekt merken konnte.«
    Boscardin lächelte. Es sah aus, als wüsste er nicht, ob er stolz oder beschämt sein sollte.
    »Um’s kurz zu machen«, fuhr Eschenbach fort. »Ich war heute dort. Morgens um sieben, auf der Baustelle bei der Sihlcity, Baracke elf. Die ganze Mannschaft schaufelte Schnee. Gömöri auch. Er ist Hilfsmaurer und konnte sich auf Anhieb an die Befragungen erinnern. Da er nur gebrochen Deutsch spricht, half ein Kollege bei der Übersetzung.« Der Kommissar rieb sich mit beiden Handballen die Augen. »Er hat sofort genickt, als ich ihm das Bild des Toten zeigte. Ja, ja, hat er gemeint. Ja, ja … Und als ich ihm ein Pressefoto von Samuel Schmid unter die Nase hielt, hat er ebenfalls genickt und ja, ja gesagt … bei Moritz Leuenberger war’s nicht anders. Erst als ich ihm Fatih Terim, den türkischen Nationalcoach, vorgelegt habe, da hat er mich mit großen Augen angesehen. Es war der Einzige, den er wirklich kannte.«
    »Ein Schwarzarbeiter also«, seufzte Haldimann, dem sofort klar war, was das bedeutete.
    »Der hatte einen solchen Schiss … ich glaube, er hätte mir ohne Weiteres unterschrieben, dass sein Großvater Kennedy erschossen hat.«
    Es gab keine weiteren Fragen mehr. Franz Haldimann zeigte sich bereit, den Fall neu aufzurollen. Und zwar »von Grund auf«, wie er selbst betonte.
    Eschenbach hatte, was er wollte. Zum Schluss sagte er: »Es geht nichts von all dem ins Protokoll, ist das klar? Und kein Wort zu Pestalozzi.« Er sah jeden Einzelnen an. »Ich denke, es ist in unser aller Interesse, wenn diese Peinlichkeit unter uns bleibt und nicht bei Regierungsrätin Sacher auf dem Tisch landet.«
    Alle nickten und Eschenbach büschelte nachdenklich seine Akten. Es war das erste Mal, seit er die Leitung der Kripo innehatte, dass er seinen Leuten einen Teil der Wahrheit verschwieg. Und es war auch das erste Mal, dass die Montagssitzung weit über eine Stunde gedauert hatte.
    Auf dem Weg vom Sitzungszimmer in sein Büro kam ihm Rosa entgegen. Auf halbem Weg und schnaufend: »Das hat schon wieder jemand gebracht«, sagte sie. »Es ist dieselbe Handschrift wie beim letzten Kuvert … ich hab nachgesehen.«
    »Sehr gut«, grummelte der Kommissar. »Und wer brachte es diesmal?«
    »Eine Frau, offenbar …« Noch immer außer Atem machte Rosa eine kurze Pause. »Sie hat’s abgegeben … und als der Pförtner anrief, bin ich sofort nach unten gerast …«
    »Und?« Eschenbach nahm den Umschlag und sah ihn sich an.
    »Sie war natürlich schon weg.«
    »Natürlich?«
    »Herrgott ja«, japste Rosa. »Wir sind im dritten Stock … und morgens ist der Lift immer überlastet. »Da bin ich halt die Treppen runter … jedenfalls war sie nicht mehr da.«
    »Haben wir eine Beschreibung?«, wollte der Kommissar wissen.
    »Nichts Brauchbares«, seufzte Rosa. »Bei minus zwölf Grad sehen halt alle irgendwie gleich aus. Sie trug einen Mantel, Wollmütze und Handschuhe.«
    »Haarfarbe? Augenfarbe? Teint?« Eschenbach konnte seine Gereiztheit nicht verbergen. »Es gibt schon Nuancen, denke ich.«
    »Affolter ist Pförtner … Immerhin hat er gemerkt, dass es eine Frau war.« Rosa nahm genervt die Brille ab.
    »Schon recht.« Der Kommissar riss das Kuvert auf.
    »Wieder so etwas Geheimnisvolles?«, wollte sie wissen und reckte den Kopf.
    »Listen …« Eschenbach zuckte die Schultern. »Namen, Orte, Daten … ich muss mir das mal genauer ansehen«, sagte er.
    »Hat es wieder mit dem vermissten Assistenten zu tun?« Rosa

Weitere Kostenlose Bücher