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Eistod

Eistod

Titel: Eistod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
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›Pro Sommer‹ heißt, kann’s mit mir nicht viel zu tun haben.«
    »Ach, Theo. PRO-ETE-cin – ETE, das französische Wort für Sommer …«
    »Ach was!« Diesmal war das Kopfschütteln noch heftiger. Schwinn sah, dass der Professor zu schwitzen begann. »Willst du nicht doch den Mantel …«
    »Mach lieber weiter«, sagte Winter. »Ich hab wirklich keine Zeit.«
    »Also gut, ich hab herumtelefoniert. Die ganzen Anlaufstellen, die es für solche Leute gibt, habe ich kontaktiert: Treffpunkt Züri, Streetwork, Wohn- und Obdachlosenheime. Die meisten habe ich erreicht und sie fragen können, ob ihnen die Namen etwas sagen würden. Aber sie wussten von nichts. Dann hab ich mir die Spitäler vorgenommen. Zuerst nur in Zürich, dann auch in Basel und Bern. Das war extrem schwierig. Arztgeheimnis, Datenschutz, du kannst dir nicht vorstellen, was die für ein Theater machen. Trotzdem hab ich etwas rausgefunden. Von zehn Leuten weiß ich nun, dass sie eingeliefert wurden. Man hat sie auf der Straße aufgelesen; beim Bahnhof, Limmatquai oder im Bellevoirpark, in Basel, bei der Heuwage, überall halt. Kreislaufkollaps. Sie haben alle nicht überlebt.«
    Winter nickte besorgt.
    »Weißt du davon, Theo?«
    Der Professor wischte sich mit dem Handrücken kleine Schweißperlen von der Stirn. »Nein«, sagte er. »Glaub mir! Ich hab damit nichts zu tun. Aber es schockiert mich!«
    Es entstand eine kurze Pause.
    Schwinn sah auf die Listen. »Wenn es das ist, was ich vermute … dann ist hier eine Riesensauerei im Gang. Das ist dir hoffentlich auch klar, oder?«
    »Natürlich. Und was hast du jetzt vor?«
    »Ich bin bei Marc Chapuis gewesen, im Labor, ich habe mir die Versuche nochmals angesehen. Marc sagt, dass ein Teil der Tiere eingegangen ist.«
    »Ich weiß.« Winter nickte.
    »Hast du eine Idee, warum?«
    Der Professor schüttelte den Kopf. »Nein. Im Moment noch nicht.«
    »Was die Liste betrifft«, fuhr Schwinn fort. »Ich habe sie mit den Informationen ergänzt, die ich herausgefunden habe: Fundorte, Spitäler und die Daten, zu denen die Leute eingeliefert worden sind. Dann habe ich sie heute Morgen Kommissar Eschenbach zugestellt. Anonym, versteht sich.« Schwinn sah Winter gespannt an. Und als nicht sofort eine Reaktion kam, fügte er hinzu: »Eigentlich wollte ich es ihm persönlich geben … an einem vereinbarten Ort. Aber dann war ich mir plötzlich nicht mehr sicher. Keine Ahnung, wie dieser Kommissar tickt … jedenfalls war mir das Risiko dann doch zu groß, dass der mich am Ende noch festnimmt.«
    Winter seufzte. »Ich komme gerade von einem Mittagessen mit ihm.«
    »Hat er die Liste erwähnt?«
    »Er wollte etwas über Tetrodotoxin wissen.«
    »Du meinst, es geht hier um das?«
    Der Professor zögerte. »Ich kann es nicht sagen … keine Ahnung.« Er zuckte die Schultern. Dann sah er auf die Uhr und stand auf.
    Schwinn wunderte sich, dass Winter, trotz der Sache mit der Polizei, so gelassen reagiert hatte. Warum ging Winter plötzlich mit Eschenbach essen und wie war der Kommissar auf Tetrodotoxin gekommen? Der Professor verschwieg ihm etwas. »Sehen wir uns später noch?«, fragte er.
    »Vielleicht.« Winter wirkte abwesend. »Ich muss jetzt dringend etwas erledigen.«
    Sie reichten sich die Hand.
    »Wo finde ich dich?«
    »Das möchte ich im Augenblick nicht sagen. Ich melde mich.«
    Nachdem der Professor gegangen war, saß Schwinn noch eine Weile da und überlegte.
    Die Zeiger der Pendule standen noch immer auf halb fünf. In einer Stunde würden auch sie, wenigstens für eine Minute, die richtige Uhrzeit anzeigen.

25
    Sie hatten sich damals nicht viel gedacht dabei, Christoph, Judith und er. Und eigentlich war auch immer alles gut gegangen.
    Als angehender Arzt hatte Burri an der Quelle gesessen und sie hatten die Substanzen der Reihe nach ausprobiert. Judith hatte genauso ihren Spaß an der Sache gehabt wie sie. Es waren Ausflüge über den Regenbogen und zurück. Leichtsinnig und voller Neugier. Keiner von ihnen hatte geahnt, dass es einmal so enden würde. Es war ein Unfall gewesen; und Eschenbach hatte sich oft gewünscht, er könnte das Rad der Zeit zurückdrehen.
    Der Kommissar hing diesen Gedanken nach, während er von der Kronenhalle zurück ins Präsidium ging. Hatte Winter ihm verziehen? Als ihn der Professor gefragt hatte, ob er noch an Judith denke, war zu seiner Verwunderung nichts Vorwurfsvolles daran gewesen. Jedenfalls hatte Eschenbach es so empfunden. Heilte die Zeit doch alle

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