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Eistod

Eistod

Titel: Eistod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
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sich in der neuen Rolle zu gefallen. »Es gibt schier unermessliche Möglichkeiten einer Anwendung in der Biochemie der Gefühle … um einmal eine sehr populistische Formulierung zu wählen. Wenn es Sie interessiert, dann kann ich Ihnen gerne ein paar Aufsätze dazu geben.«
    Klar. Er hatte ja sonst nichts zu tun, als Aufsätze zu lesen, dachte Eschenbach und nickte.
    »Das interessanteste und mit einem Blick auf die Pharmaindustrie wohl lukrativste Gebiet für psychotrope Substanzen ist die Glücksforschung …« Er lächelte kurz. »Eigentlich müsste man Unglücksforschung sagen. Aber vermutlich führt das jetzt zu weit.« Meiendörfer schaute fragend zu Sacher.
    »Konzentrieren wir uns aufs Wesentliche«, stimmte die Vorsteherin des Polizeidepartements zu.
    Meiendörfer berichtete in knappen Sätzen, dass der Strategische Nachrichtendienst der Schweiz den Professor seit über fünf Jahren im Auge hatte. »Seine Zusammenarbeit mit verschiedenen Instituten der amerikanischen Regierung – alle auf dem Gebiet der Biochemie – gab dem SND damals dazu Anlass. Das ist im Wesentlichen Routine. Wir tun das mit einer ganzen Liste von Forschern … Es steht im Pflichtenheft unseres Dienstes, dass wir die Entwicklungen in Sachen biochemischer Kriegführung im Auge behalten. Und wenn da ein Schweizer involviert ist, so ist das gewissermaßen wie ein Sechser im Lotto. Wir kennen heute Winters Forschungsgebiet relativ gut, pflegen einen angenehmen Kontakt mit ihm und tauschen gelegentlich Gedanken und Forschungsergebnisse aus. Die wissenschaftlichen Foren sind da sehr offen, man darf sich das nicht als einen Geheimniskrämerladen vorstellen.«
    »Und wo ist jetzt das Problem, bitte?«, wollte Eschenbach wissen.
    »Es geht um Meriten, die am Schluss auch dem Standort Zürich zugutekommen«, holte Sacher aus. »Der hiesigen Pharmaindustrie, der ETH und gewissermaßen auch uns ist es gelungen, Professor Winter zurück in die Schweiz zu holen. Natürlich aufgrund völlig unterschiedlicher Interessen.«
    Meiendörfer nickte. »Wir nehmen, was wir kriegen … eigentlich wissen wir von allen immer am wenigsten genau, was wir wissen wollen.«
    »Das glauben Sie doch selbst nicht«, sagte Eschenbach.
    »So ist es aber«, sagte der Biochemiker und rieb sich ein Auge. »Obwohl Winters Gebiet nicht wirklich sensibel ist – zumindest nicht in Bezug auf Kampfstoffe und deren Gegenmittel –, so erhofften wir uns doch Informationen. Winters Steckenpferd sind Botenstoffe, die menschliche Software, wenn man so will. Und darüber wissen wir kaum etwas.«
    »Dann führten Sie quasi aufs Geratewohl ein Winter-File?« Eschenbach hob die Augenbrauen.
    »Das Geschäft von Nachrichtendiensten sind nun einmal Informationen«, sprang Sacher Meiendörfer zur Seite.
    »Ich will Ihnen mal etwas sagen, Herr Meiendörfer …« Eschenbach stützte beide Ellbogen auf die Tischplatte, faltete die Hände unterm Kinn zusammen und sah dem Biochemiker direkt in die Augen. »Als ich noch Militärdienst leistete, da gab es den bösen Feind tatsächlich; er kam von rechts aus dem Wald oder von links, von vorne und von hinten. Für jede halbwegs gescheite Truppenübung musste er herhalten. Für kilometerlange Märsche und für C-Alarm, meistens bei Nacht. Und später, als ich Offizier im Regimentsstab war, kam er mit Panzern durchs Aargauische Rheintal geschossen, ein andermal landete er mit Fallschirmspringern in der Linthebene. Der böse Feind war immer da. Immer kommunistisch, immer russisch und immer gut bewaffnet. Und jetzt ist er weg; hat sich mit Perestroika und Glasnost davongeschlichen, sich selbst aus dem Verkehr gezogen. Ehrlich gesagt, ich frage mich manchmal, wie die Schulkommandanten ihre Jungs heute noch aus dem Bett bekommen. Morgens um sechs, und im Winter.«
    »Point taken« , sagte Meiendörfer trocken. »Natürlich weiß ich, worauf Sie hinauswollen. Aber gerade der neu aufflackernde Terrorismus hat uns eines Besseren belehrt. Glauben Sie mir, nur weil die Sonne nicht mehr blendet, heißt es nicht, dass es sie nicht mehr gibt.«
    »Seit euch der Feind abhandengekommen ist …«, sagte Eschenbach stur und mit bitterer Miene, » … seitdem bespitzelt ihr ziellos alles und jeden. Und die Tatsache, dass dies der Bespitzelte mit seinen Steuergeldern auch noch selbst finanziert, ist geradezu zynisch.«
    »Ich möchte hier zu einem Ende kommen«, sagte Sacher ungeduldig. Dabei zupfte sie die Manschette ihrer Bluse aus dem Jackettärmel. »Was

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