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Eistod

Eistod

Titel: Eistod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
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über den Mund. »Was wir hier bereden, so eine Guerilla-Aktion … das kann die Peinlichkeit des Jahrhunderts werden.«
    »Das weiß ich auch. Ich hab’s mir tausend Mal überlegt«, entgegnete Eschenbach ruhig.
    »Und gesehen hast du ihn nicht, diesen Pestalozzi, wenn ich’s richtig verstanden habe?«
    »Nein, das ist der einzige Haken.« Der Kommissar fuhr sich durch die Haare. »Aber jedes Mal, wenn ich meinen Mantel vergesse und am Hintern friere, sage ich mir: Kälte kann man auch nicht sehen.«
    Eschenbach bezahlte die Rechnung, dann gingen sie hinaus in die Hotelhalle. Hinter dem Glasschacht, in dem ein Lift geräuschlos die Gäste auf ihre Etagen brachte, fanden sie zwei kleine Tische, an denen man rauchen durfte. Sie setzten sich vor die riesige Fensterfront, die außer einem Spiegelbild ihrer selbst nichts preisgeben wollte.
    Am nächsten Morgen war die Aussicht nicht besser. Draußen wartete die reinste Waschküche auf Eschenbach. »Hotel Panorama«, grummelte der Kommissar. Manchmal half auch der Name nichts. Er stand mit einem großen Teller am Frühstücksbuffet, nahm sich Lachs mit Meerrettich, Schinken und Toasts und setzte sich an denselben Tisch, an dem sie am Abend zuvor gegessen hatten. Er versuchte nachzudenken. Claudio war gegen zwei in der Früh nach Chur gefahren, wo er noch ein paar Dinge erledigen wollte, bevor er ihm half.
    Eschenbach machte auf dem Tisch etwas Ordnung, sodass er gleichzeitig die Zeitung lesen und essen konnte. Es war eine Angewohnheit, die er sich nach Corinas Auszug zugelegt hatte und die er zu kultivieren begann. Das Panorama Resort & Spa war beim Zeitungsangebot ebenso wenig knauserig wie bei dem Angebot der Speisen: Der Tagesanzeiger würde zusammen mit den Früchten ein leichtes Entree geben, die Neue Zürcher Zeitung zusammen mit Fisch und Fleisch das pièce de resistence . Und zum Schluss würde er noch den Sportteil des Blicks würdigen; mit dem zweiten Espresso und etwas Friandises.
    Dass er die Reihenfolge änderte, lag an Juliet. Sein Handy vibrierte in der Hose. Als er es aus der Tasche kramte, sah er ihre Nummer.
    »Hast du den Blick zur Hand«, fragte sie geradeheraus. Sie klang aufgeregt. Während Eschenbach die unterste Gazette aus dem Zeitungsstoß zog, sagte sie: »Winter ist drin … das heißt drauf, er ist verschwunden.«
    »Drauf und weg …«, murmelte Eschenbach. Er sah den kurz geschorenen Schädel auf der Frontseite. »Starbiologe arbeitet für die CIA«, las er. Der ganze Bericht stand auf Seite fünf.
    »Du musst kommen … unbedingt, hier spinnen alle.«
    Es war das erste Mal, dass Juliet so klang. Verzweifelt und etwas hilflos.
    Eschenbach schaute auf die Uhr. »Ich bin immer noch in Feusisberg, da brauch ich eine Dreiviertelstunde … mindestens, hörst du? Du musst jetzt durchhalten.«
    »Ich halt ja durch«, sagte sie genervt. »Ich versteh nur einfach nicht, warum der Blick gestern schon weiß, dass Winter heute verschwunden sein wird?«
    »Wir wissen ja nicht, seit wann Winter verschwunden ist …« Eschenbach sah nach. »Eher ist’s umgekehrt«, sagte er. »Winter ist vermutlich weg, weil er wusste, dass all das heute im Blick steht.«
    »Scheißzeitung«, fluchte sie.
    »Sag nichts«, riet der Kommissar.
    »Du glaubst nicht, wie aufdringlich die …« Es klang, als halte sie nun die Hand über die Muschel.
    »Habt ihr denn keine PR-Abteilung?«
    »Raus!«, schrie es gedämpft am anderen Ende der Leitung. Dann waren Schritte zu vernehmen und dass eine Tür abgeschlossen wurde.
    »Unsere PR-Abteilung ist auf das Leben von Albert Einstein spezialisiert, darauf, die Relativitätstheorie relativ einfach auf eine Stellwand zu bringen.«
    »Und das Rektorat? Hast du es dort schon versucht?«
    »Herrgott, natürlich. Professor Jakobeit ist Physiker … oder Mathematiker … was weiß ich. Jedenfalls scheint hier keiner in der Lage zu sein, mit diesem Ansturm von Journalisten und Fotografen fertig zu werden.«
    Der Kommissar versuchte sie zu beruhigen, und als er sicher war, dass sie ihm zuhörte, sagte er: »Organisiere eine Pressekonferenz, hörst du? Verfrachte die Leute in einen Hörsaal, in den nächstbesten. Sag ihnen: um halb neun …«
    »Das ist in fünf Minuten.«
    »Spielt keine Rolle. Dann hast du sie alle in einem Raum und verhinderst, dass sie im Institut rumlaufen. Du musst die Situation jetzt unter Kontrolle bringen.«
    »Okay, mach ich. Und was dann?«
    »Gib mir die Nummer vom Rektorat … ich werde das

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