Eistod
Augen.
»Eigentlich wollte ich Sachertorte kaufen«, sagte Rosa mit einem Schmunzeln. »Aber vielleicht hätte es Frau Regierungsrätin seltsam gefunden … und dann war noch so viel los draußen. Also, ich hab’s ganz vergessen zu servieren …«
»Saint Honoré!« Mit Begeisterung nahm sich der Kommissar eine Gabel: »Außer uns, Frau Mazzoleni, hat das hier sowieso niemand verdient.«
Rosa nahm sich einen Stuhl, setzte sich gegenüber von Eschenbach an den Schreibtisch und beide aßen sie ein Stück dieser luftigen Torte.
»Sie kennen doch jemanden beim Blick , oder?«, erkundigte sich der Kommissar nach einer Weile.
»Mmhh …« Rosa nahm eine weiße Papierserviette und tupfte sich den Mund ab. »Eine gute Bekannte, ja. Wir kennen uns schon lange … kochen gelegentlich zusammen, bei einem Abendkurs. Wie kommen Sie darauf?«
»Ich möchte wissen, woher die das Zeug haben …« Eschenbach legte die Gabel hin, stand auf und ging zum Schrank. Er nahm ein mehrfach zusammengefaltetes Exemplar der Boulevardzeitung aus seiner Manteltasche. »Hier, sie haben’s gleich gedruckt. Geheimdienstunterlagen, die man offenbar zufällig in Zimmerwald aus dem Äther gesogen hat.«
»Aus dem was?«
»Äther.« Eschenbach machte eine Geste, die normalerweise seiner italienischen Sekretärin vorbehalten war. Sie verwendete sie, wenn sie nicht mehr weiterwusste oder ein Wort suchte. »Aus der Luft halt.« Er setzte sich wieder hin. »Unsere flotten Informationsdienstler betreiben dort eine Abhöranlage mit Satellitenschüsseln und so. Steht alles hier drin, mit Fotos … es sieht dort aus wie im Märchenwald.«
Während sich Eschenbach ein zweites Stück Torte nahm, überflog Rosa den Bericht. »Ich kann ja mal nachfragen. Obwohl, es steht hier: aus vertraulichen Quellen … weiß nicht, ob mir meine Freundin etwas sagen kann.«
»Versuchen Sie’s einfach.« Eschenbach sprach mit halb vollem Mund. »Kommt’s vom Militär oder vom Bund? Anonym? Gefaxt? Bestehen irgendwelche Verbindungen? Beziehungen? Schon ein kleiner Hinweis wäre gut. Und dann interessiert mich auch noch, wann sie’s bekommen haben. Der Zeitpunkt … wenn ich den kenne, ist’s auch schon recht. Zudem ist das eine Information, bei der sie ihre Quelle nicht preisgeben müssten.«
Rosa schien sich schon zu überlegen, wie sie etwas erreichen könnte, als Eschenbach noch hinzufügte: »Ich würde ja schon … aber wenn’s über den offiziellen Weg läuft, bekommen die immer das große Muffensausen. Da geht dann nix mehr.«
»Ich weiß.« Rosa lächelte ihn an. Insgeheim mochte sie diese Aufträge, das wusste er.
»Eben … und es werden noch große Wellen folgen, vermute ich. CIA und ETH, diskreter geht’s kaum. Wenn die jetzt die Schweizer Boulevardpresse füllen … Prost Maxe!«
Nachdem er die dringendsten E-Mails beantwortet und ein drittes und ein viertes Stück Saint Honoré weggeputzt hatte, verließ der Kommissar sein Büro.
28
»Eigentlich sind wir alle drei nicht die Typen für große Organisationen«, sagte Ewald Lenz.
Eschenbach grinste, als er sah, wie spitzbübisch sich der pensionierte Beamte freute, dass man seine bescheidene Wohnung in der alten Mühle an der Forchstrasse zum Polizeihauptquartier umfunktioniert hatte.
Den kleinen Stubentisch aus rau belassenem Holz hatte Lenz mitten ins Wohnzimmer gestellt und ihn großzügigerweise als Konferenztisch bezeichnet. Und weil er nur zwei Stühle hatte, musste Claudio mit einem Klappschemel vorliebnehmen. »Du hast die jüngsten Knochen«, hatte der Alte gesagt, nachdem er das unbequeme Ding hinter dem Eisschrank in der Küche hervorgekramt und ihm hingestellt hatte.
»Klein und gemein.« Claudio bezweifelte, dass der lottrige Schemel seinem Gewicht überhaupt standhalten würde. Er setzte sich trotzdem. Nichts geschah.
»Also, fangen wir an«, sagte Eschenbach und erteilte Lenz das Wort.
»Dass der gute Pestalozzi nicht Sachers Neffe ist, wissen wir nun ja«, begann der Alte. Er hatte ein paar Unterlagen vor sich hin gelegt, fein säuberlich sortiert und in bunte Plastikmäppchen eingeordnet. »Manchmal wird man gescheiter, ohne es wirklich verdient zu haben. Ich hab mir jedenfalls die Zähne ausgebissen …« Lenz nahm ein paar Notizen aus einem grünen Mäppchen heraus. »Den Neffen gibt’s übrigens tatsächlich. Er studiert Drama am Lee Strasberg Institute in New York. Er sieht diesem Meiendörfer sogar ein wenig ähnlich.« Und mit einem Seufzer fügte er noch
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