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Eistod

Eistod

Titel: Eistod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
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wir.«
    Fünfzehn Minuten lang folgten sie festgetretenen Spuren im Schnee.

4
    »Du hättest Kurt Gloor sehen sollen, gestern«, maulte Christoph Burri.
    »Hab ich doch!« Eschenbach zog zwei goldgelbe Scheiben aus dem Toaster. »Wie der mit seiner Frau umgeht … dieser Sozialapostel.«
    »Sie lag dir zwischen den Beinen.«
    »AUF den Beinen! Herrgott noch mal.«
    »Ihr wart völlig betrunken!«
    »Sein Glück. Sonst hätten wir vielleicht tatsächlich …«
    »Eben.«
    »DU hast mir gesagt, ich soll unter die Leute.«
    »Aber doch nicht so …«
    Die beiden Freunde standen frisch geduscht und in weißen Morgenmänteln in Burris modern eingerichteter Küche.
    »Zuerst trinkst du mit der Frau meines prominentesten Gastes drei Flaschen Château Angelus und als Dank …« Burri drückte den Hebel der Orangenpresse, dass der Saft spritzte. »Als Dank ludert ihr dann auf meiner Couch rum. Und das vor allen Leuten!«
    »Ich dachte, es wären vier gewesen.«
    »Was vier?«
    »Flaschen, meine ich.«
    »Bist du dir überhaupt bewusst, was du angestellt hast … ich meine, die Konsequenzen davon?«
    »Ich habe getrunken und geschlafen. In dieser Reihenfolge hat das selten Konsequenzen.«
    »Ich meine Gloor.«
    »Der wird sich wieder beruhigen.«
    »Er ist immerhin Stadtrat.«
    »Auch Stadträte beruhigen sich. Glaub mir, er wird sich keine Blöße geben. Gloor ist ein geschliffener Hund. Wie soll er denn in Zürich erfolgreich Sozialpolitik betreiben, wenn er nicht einmal seine eigene Familienpolitik im Griff hat?«
    »Du bist ein linker Zyniker.«
    »Nein, Christoph.« Der Kommissar biss in eine Scheibe Toast, die er dick mit Butter und Honig bestrichen hatte. »Ich bin ein rechter Optimist. Manchmal Realist und fast immer ein sentimentales Arschloch.«
    Sie setzten sich an den großen Eichentisch am Fenster.
    »Es hat wieder geschneit«, sagte Eschenbach mit vollem Mund. »Weiße Weihnachten … das hatten wir schon lange nicht mehr.«
    Burri stocherte lustlos in einer Schale mit Birchermüsli. »Wer in deinem Alter noch sentimental ist, hat nichts dazugelernt.«
    »Ich kann damit leben.«
    »Du bist ein Ignorant.«
    Der Kommissar studierte das Etikett auf dem Honigglas: »Miele del Ticino … Hast du immer noch diesen Imker aus Intragna?«
    »Ja«, kam es mürrisch.
    »Christoph, du bist eine Seele von Mensch …« Der Kommissar stand auf und streckte sich. »Dass du einen abgehalfterten Polizisten beherbergst … ehrlich, ich hätte den Heimweg nicht mehr gefunden.«
    »Allerdings.«
    »Wie ist eigentlich Denise … ich meine Frau Gloor?«
    »Zu dritt haben wir sie ins Auto getragen.«
    Eschenbach lachte, nahm sich zwei weitere Scheiben aus dem Toaster und setzte sich wieder.
    »Ihr Mann kochte innerlich«, sagte Burri finster.
    »Selber schuld.« Eschenbach begann gemütlich die Brotscheiben mit Butter und Honig zu bestreichen. »Man sollte seinem Groll Luft machen … sagst du doch immer.«
    Burri schwieg.
    »Aber als Politiker, da ist das nicht drin … Fressen alles in sich hinein. Keep smiling . «
    »Das ist immer auch eine Frage des Anstands«, warf der Arzt ein.
    »Eine Frage des Stils, würde ich sagen.« Eschenbach kaute zufrieden und schaute zum Fenster hinaus in den Garten. Auf einem Holzpflock stand ein Vogelhäuschen mit Strohdach. Eine Horde Spatzen stritt sich um das Futter. »Früher hätte man sich duelliert, auf der Sechseläutewiese bei Sonnenaufgang …« Der Kommissar hustete.
    »Dann lägest du jetzt dort; mit einem Loch in der Brust.« Burri lächelte giftig.
    »Unterschätz mich nicht, Christoph!«
    »Du sagst ja selbst, Schießen liegt dir nicht … nur keine Waffen.«
    »Meine Wahl ist das Florett!« Eschenbach zog das Honigmesser zwischen seinen Lippen hindurch. »Leicht, elegant und spitz … touchée!«
    »Du lebst in der falschen Zeit, mein Lieber!« Burri unterdrückte ein Gähnen.
    »Da hast du allerdings recht.«
    Eine Weile saßen sie beide da und schwiegen. Leise dudelte das Küchenradio die letzten Takte eines Evergreens, dann folgten die Nachrichten. Es war elf. Eschenbach fragte sich, ob man den Vorfall bei Grieder erwähnen würde. Aber es kam nichts, außer Schnee: »In weiten Teilen der Schweiz schneit es über Weihnachten …«, hieß es am Ende der Wettervorhersage.
    Burri stand auf und begann mit dem Abräumen.
    »Woher kennst du diesen Gloor eigentlich?« Eschenbach ging zum Kühlschrank und verstaute Butter, Käse und Milch.
    »Ich bin als Facharzt im

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