Eiswind - Gladow, S: Eiswind
fragte Anna.
Anders als bei den Gesprächen mit Hauptkommissar Braun hielt Anna sich bei Bendt nicht mit Höflichkeiten
und Fragen nach seinem Befinden auf, sondern kam gleich zur Sache.
»Wir haben das Ergebnis der molekulargenetischen Untersuchung«, sagte er.
»Und? Alexander Jensen war am Tatort, stimmt’s?«
»Korrekt«, sagte er. »Woher wissen Sie das?«.
»Das war zu vermuten«, gab sie zurück. »Wenn die Probe nicht zuzuordnen gewesen wäre, wäre die Nachricht keinen Anruf wert gewesen.«
»Es hätte ja auch sein können«, warf er ein, »dass die DNA-Probe von einem berüchtigten Massenmörder stammt.«
Seine Besserwisserei nervte Anna, weshalb sie den Einwurf überging. »Haben Sie sonst noch etwas Neues?«
»Bei den aufgefundenen Knochenresten handelte es sich tatsächlich um eine Lammkeule«, fuhr Bendt fort.
Sie verkniff es sich, erneut auf das mutmaßliche Grillfest der Waldbewohner hinzuweisen.
»Sie war mit Rattengift getränkt«, ergänzte er.
Auch wenn inzwischen vieles für Alexander Jensen als Täter sprach, wollte es Anna nicht recht einleuchten, weshalb ausgerechnet er den Hund hätte vergiften sollen.
»Vielleicht ein Ablenkungsmanöver?«, erriet Bendt ihren Gedanken.
»Vielleicht, wer weiß?«, antwortete sie. »War das alles, Herr Bendt, oder brauchen Sie noch irgendetwas von mir?«
Es war einen Moment still am anderen Ende der Leitung.
Anna wusste selbst nicht recht, weshalb sie so abweisend war.
»Hauptkommissar Braun hielt es für wichtig, Sie zu informieren«, sagte Bendt dann kühl. »Er meinte wohl, dass es Sie interessieren würde. Aber selbstverständlich können wir uns in Zukunft darauf beschränken, Sie nur noch zu konsultieren, wenn wir eine Entscheidung benötigen.«
»Nein, nein«, sagte sie schnell und bereute es, so schroff gewesen zu sein. »Natürlich interessiert es mich!«
»Gut«, antwortete Bendt.
Sie spürte, dass er sie für eine eingebildete Kuh hielt.
»Wir melden uns erforderlichenfalls«, fügte er hinzu, bevor sie sich verabschiedeten und auflegten.
Anna kämpfte sich bis zum Nachmittag durch ihre Schriftstücke. Die Wintersonne schien einladend durch ihr Fenster, und einer spontanen Eingebung folgend, entschloss sie sich, nach Timmendorf zu fahren, um dort einen ausgiebigen Strandspaziergang mit Hubert und anschließend einen kleinen Stadtbummel zu machen. Vielleicht hatte ihr auch Oberstaatsanwalt Tiedemann mit seiner zur Schau getragenen Einsamkeit den Anstoß zu diesem Ausflug gegeben. Anna wusste, dass sie irgendwann beginnen musste, wieder richtig am Leben teilzunehmen, anstatt sich ständig in ihrer Arbeit zu verkriechen und Trübsal zu blasen.
In Timmendorf angekommen, sog sie den salzigen Duft der Ostsee ein, lauschte dem Kreischen der Möwen und fühlte sich gleich ein wenig besser.
Hubert stob mit gewaltigen Sätzen durch die Wellen und bellte, als wolle er die Brandung immer wieder ermuntern, an Land zu schlagen. Während sie zur Promenade hinaufstieg, beschloss sie, sich in Zukunft häufiger von ihrem Büro zu lösen und nach anderen Ablenkungen zu suchen. Sie schlenderte die Einkaufszeile entlang und schmunzelte über ihren Hund, der artig vor jedem Schaufenster ausharrte, während Anna die Damenboutiquen nach einem Schnäppchen durchkämmte. Sie genoss das herrliche Wetter, kaufte sich ein Eis und war entschlossen, sich endlich einmal wieder etwas Schickes zum Anziehen zu gönnen.
Ein Nadelstreifenanzug in einer Schaufensterauslage erregte ihre Aufmerksamkeit. Sie versuchte von außen das Preisschild zu entdecken, als sie plötzlich im Ladeninneren Maja sah. Ihr Herz begann zu pochen. Anna schaute wie gebannt auf Toms neue Freundin, die in ein Gespräch mit einer Verkäuferin vertieft war, und stellte erneut fest, wie hübsch sie doch war.
Maja trug enge Jeans, dazu hohe Stiefel und einen legeren Parka. Ihre blonde Mähne hatte sie zu einem lockeren Zopf zurückgebunden.
Anna wollte sich gerade von ihrem Anblick losreißen und sich aus dem Staub machen, als Maja ihren Blick durch das Fenster auffing und ihr zuwinkte.
Verflucht, dachte Anna, die nun keine andere Möglichkeit mehr sah, als in den Laden zu gehen, wo Maja ihr schon in Richtung Eingangstür entgegeneilte. Anna spürte, dass auch ihr Gegenüber ein wenig angespannt wirkte.
»Hallo«, sagte sie etwas zu hastig. »Was treibt dich denn um diese Zeit hierher?«
»Hallo«, gab Anna lächelnd zurück. »Ich habe heute früher Feierabend gemacht.«
Es
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