Eiswind - Gladow, S: Eiswind
verhindern! Es war seine Überzeugung, dass Ferdi der alleinige Grund dafür war, dass sie ihn nicht mehr wahrnahm. Ferdi war ein Dämon, ein Zauberer, der sie ihrer Sinne beraubt hatte.
Er wollte sie zurückgewinnen und den alten Bund wiederherstellen, für den allein es sich zu leben lohnte. In Zukunft würde er wachsamer sein und sie nicht mehr aus den Augen lassen – das hatte er sich geschworen.
Inzwischen war es September geworden. An diesem Tag war es spätsommerlich warm, und er hatte es als unerträglich empfunden, neben Ferdi und ihr gemeinsam mit IHNEN in dem kleinen Eiscafé des Ortes zu sitzen und sich das Gesülze anhören zu müssen. Nur schwer hatte er der Versuchung widerstehen können, Ferdis schmierige Hand, die bei jeder Gelegenheit auf ihrem Knie ruhte, mit seinem Fahrtenmesser abzutrennen.
Endlich war es Abend geworden, und SIE waren wieder abgereist. Dennoch sollte er keine Ruhe finden.
Er stieg den beiden Frischverliebten nach, während sie Hand in Hand in Richtung Wald vorausgingen. Seine Faust krampfte sich jedes Mal in seiner Hosentasche zusammen, wenn sie wieder und wieder stehen blieben, um sich zu küssen.
Es dauerte nicht lange, bis sie eine kleine Waldhütte erreicht hatten. Ferdi hatte es offenbar unzählige Male geübt, das Hängeschloss, das unliebsame Eindringlinge fernhalten sollte, mittels eines Drahtes zu knacken, denn es gelang ihm
auf Anhieb. Mit galanter Geste ließ er die Tür aufschnellen, verbeugte sich und ging hinter ihr hinein.
Er war starr vor Schreck, und sein Atem ging schwer und stoßend, während er um die Hütte herumschlich und versuchte, sich durch das rückwärtige Fenster Einblick zu verschaffen.
Aber durch den Vorhang konnte er lediglich ihre Silhouetten wahrnehmen. Sie standen dort ziemlich regungslos, ihre Körper dicht aneinander gepresst. Es bestand ohne Zweifel Handlungsbedarf. Aber was sollte er tun?
Er blickte sich um. Nirgendwo war eine Menschenseele zu entdecken. Die Wut ergriff ihn mit ungeahnter Macht, und er spürte die Tränen in sich aufsteigen. Er handelte schnell und ohne Zögern.
Es war nicht schwer, trockene Zweige zu finden und an der Rückwand der Hütte zu platzieren. Er entzündete einen der Äste, dessen müdes Knistern sein baldiges Erlöschen ankündigte und nicht bereit schien, seine Verbündeten für das Brennen zu begeistern.
Darum zog er sein Benzinfeuerzeug aus der Tasche, öffnete die untere Klappe mit seinem Fahrtenmesser und ließ den spärlichen Inhalt verheißungsvoll duftenden Kerosins auf die zusammengetragenen Äste tropfen.
Endlich erwachte eine Flamme zum Leben und begann im Orange der untergehenden Abendsonne emporzutanzen.
Er hielt einen Moment inne und beobachtete ihr züngelndes Spiel, bevor er sich abwandte und sich zur Vorderseite des Hauses zurückbegab. Er zögerte nur einen kurzen Moment, bevor er das Vorhängeschloss einschnappen ließ.
Sie hatten es beide verdient.
23. KAPITEL
A nna ließ das Telefon klingeln. Sie war sich sicher, dass es Georg war, der immer wieder versuchte, sie zu erreichen.
Er hatte ihr in den vergangenen Tagen mehrfach auf die Mailbox gesprochen und um einen Rückruf gebeten. Vergebens. Es war bereits alles gesagt.
Anna kauerte, die Knie an die Brust gezogen, auf ihrem Sofa und vergrub ihren Kopf zwischen den Händen, betend, er möge sie endlich in Ruhe lassen. Sie schämte sich zutiefst. Sie hatte sich verführen lassen, ohne über die Konsequenzen nachzudenken oder darüber nachdenken zu wollen. Ihr war unerklärlich, wie es ausgerechnet zwischen Georg und ihr so weit hatte kommen können.
Sicher war allerdings, dass so etwas nie wieder passieren durfte. Georg war Toms bester Freund und vor allem Sabines Ehemann. Bei dem Gedanken daran, eine Freundin betrogen zu haben, zog sie unwillkürlich die Knie so nahe an den Körper heran, als wolle sie sich verstecken. »Was hab ich getan?«, flüsterte sie immer wieder und blickte dabei tadelnd Hubert an, als hätte der es verhindern können. »Was hab ich bloß gemacht?«
Es war halb zwei. Spätestens in einer Stunde musste Anna los, um pünktlich bei den Tiedemanns zu sein. Sie hatte lange überlegt, ob sie sich mit irgendeiner Ausrede entschuldigen sollte, sich aber schließlich dagegen entschieden. Eine Erkältung würde ihr niemand abkaufen, zumal Oberstaatsanwalt Tiedemann sich schon am nächsten Tag im Büro davon überzeugen könnte, dass sie bei bester Gesundheit war. Außerdem wollte sie Sophie nicht
Weitere Kostenlose Bücher