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Eiswind - Gladow, S: Eiswind

Titel: Eiswind - Gladow, S: Eiswind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gladow
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enttäuschen, und es erschien ihr zudem nicht verkehrt, sich ein wenig Ablenkung zu verschaffen.
    Es hatte ohnehin keinen Sinn, sich weiter den Kopf zu zermartern. Was geschehen war, war nun einmal geschehen und konnte nicht mehr rückgängig gemacht werden.
    Anna raffte sich auf und zog sich im Schlafzimmer des Obergeschosses um. Sie entschied sich für ihre Lieblingsjeans, hohe Stiefel, ein bedrucktes Langarmshirt und eine kakifarbene Indoor-Jacke. Sie wickelte das Duschpeeling und die Mascara, die sie erstanden hatte, in Geschenkpapier ein und machte sich auf den Weg. Die Tatsache, dass sie einen Hund zu versorgen hatte, der zu Hause auf sie wartete, würde ihr Gelegenheit geben, sich nach einem relativ kurzen Besuch schnell wieder zu verabschieden.
    Oberstaatsanwalt Tiedemann wohnte mit seiner Tochter in einem Reihenhaus in Moisling, einem Stadtteil südlich der Lübecker Innenstadt. Anna stellte ihren Wagen in der kleinen Straße ab und ging durch den sprichwörtlich mit der Nagelschere gepflegten Vorgarten
auf das Haus zu. Sie hatte den Klingelknopf kaum berührt, als Sophie bereits die Tür aufriss.
    »Na, hast wohl schon hinter der Tür gewartet?«, fragte Anna leicht irritiert und trat in den engen, nach Apfelkuchen duftenden Hausflur.
    »Hallo und vielen Dank«, antwortete Sophie fröhlich aus ihrem Rollstuhl herauf und nahm begeistert das Geschenk entgegen, das Anna ihr entgegenstreckte und das sich Sophie sofort auf ihren Schoß legte.
    »Hübsch siehst du aus«, sagte Anna, verwundert darüber, dass Sophie eine hochgeschlossene Baumwollbluse und einen langen dunkelblauen Rock trug. Während sie ihren Mantel auszog, fügte sie schuldbewusst fragend hinzu: »Bin ich zu früh?«
    Sie war erstaunt darüber, dass aus den angrenzenden Räumen keine Stimmen zu hören waren, geschweige denn das Gelächter junger Leute. Vielmehr meinte sie, aus einem der Zimmer die zarten Klänge eines Violinkonzerts von Mozart zu vernehmen.
    Bevor Sophie antworten konnte, trat Oberstaatsanwalt Tiedemann aus der Küche in den Flur. Der Gang, mit dem er auf sie zukam, wirkte auf sie ebenso steif und hölzern wie das antike Mahagonischränkchen im Eingangsbereich.
    »Da sind Sie ja«, sagte Tiedemann, während er Anna den Mantel abnahm und an der nahezu leeren Garderobe aufhängte.
    »Ja, da bin ich«, gab Anna lächelnd zurück und fühlte sich in ihrem legeren Aufzug plötzlich fürchterlich deplatziert. Tiedemann trug genau wie im Büro eine
dunkle Hose und dazu ein weißes Hemd mit Krawatte. Der einzige Unterschied war, dass er heute aufs Jackett verzichtet hatte.
    »Nett haben Sie es hier!«, übte Anna sich in höflichen Floskeln, während sie den beiden in das Wohnzimmer folgte. Die Möblierung entsprach völlig dem Bild, das sie sich in ihrer langjährigen Zusammenarbeit von Oberstaatsanwalt Tiedemann gemacht hatte: Die dunkelbraune, im englischen Stil gehaltene Sitzgarnitur passte ebenso zu ihm wie die laut und vernehmlich tickende Standuhr in der Ecke des konservativ, aber durchaus geschmackvoll eingerichteten Raums.
    »Ein sehr altes Stück aus dem Nachlass meiner Mutter«, sagte Tiedemann, als er Annas Blick auffing.
    Sie nickte und vergaß näher darauf einzugehen, als sie realisierte, dass neben dem Champagnerkühler nur drei Sektkelche abgestellt waren. Der Oberstaatsanwalt füllte diese und reichte Anna eines der Gläser.
    »Wann kommen denn deine anderen Gäste?«, fragte Anna Sophie irritiert, obwohl sie die Antwort eigentlich schon kannte. Sophies glühende Wangen und leuchtende Augen sprachen eine eindeutige Sprache.
    Tiedemanns Tochter war sechzehn und hatte wahrscheinlich genau wie Anna in dem Alter bereits eine unzählige Anzahl kitschiger Liebesfilme gesehen. Wie jeder Teenager sehnte sie sich wohl nach Freiheit und Unabhängigkeit und fühlte sich von ihrem Vater ständig kontrolliert.
    Sie war offenbar von der Idee beseelt, eine Frau für ihren Vater finden zu müssen, um dessen Aufmerksamkeit
von sich selbst abzulenken. Und Anna war Sophie offenbar als einzige potenzielle Lebenspartnerin für ihren Vater in den Sinn gekommen. Vermutlich hoffte sie, in ihr eine Verbündete zu finden. Eine Frau, die sie in ihrem berechtigten Drang unterstützen würde, selbstständiger zu leben.
    Anna wusste, dass Sophies Vater ihr ungewöhnlich wenig Freiheiten ließ. Er hatte ihr gegenüber mehrfach die Sorge geäußert, seine Tochter könnte sich mit einem Jungen einlassen. Anna hatte sich überrascht gezeigt und

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