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Eiswind - Gladow, S: Eiswind

Titel: Eiswind - Gladow, S: Eiswind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gladow
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sich vor Schreck ans Herz und spürte, wie es in ihrer Brust heftig pochte.
    »Staatsanwältin Lorenz«, meldete sie sich.
    Es war ein typischer Anruf für den Nachtdienst. Einige Beamten observierten ein Mehrfamilienhaus, in dem in einer Wohnung ein reger Marihuanahandel stattfinden sollte. Man hatte vor dem Haus verschiedene
Konsumenten gestellt und wollte nun die Erlaubnis, dass die Wohnung wegen Gefahr im Verzug auch ohne richterlichen Beschluss durchsucht werden durfte.
    Anna ärgerte sich über die Anfrage. Der Fall war so glasklar, dass es keiner Nachfrage bedurft hätte. Natürlich stimmte sie einer Durchsuchung zu.
    Zum Glück war es erst elf Uhr, und sie hatte noch nicht geschlafen. Ein paar solcher Anrufe gegen drei Uhr nachts konnten einen richtig mürbe machen, und Anna wusste, dass sie zu nachtschlafender Zeit nicht lange so höflich bleiben würde. Sie legte das Telefon zur Seite und wandte sich wieder ihrer Lektüre zu.
    Im Tagebuch folgten nun einige sehr intime Notizen zu Sabrina Mertens’ Entdeckungen in der Liebe, die Anna überflog. Der Wind pfiff gespenstisch um das Haus, und sie zog sich die Decke bis unter das Kinn, froh darüber, dass ihr die Eintragungen Ablenkung verschafften.
     
     
    Elisenlund, 5. September 1999
    Liebes Tagebuch,
    es ist so unsagbar schrecklich. Ferdi ist tot. Sie haben ihn heute Morgen gefunden. Mein Leben macht keinen Sinn mehr. Ich bin schuld daran. Er muss direkt nachdem er bei mir war verunglückt sein. Ich verstehe es einfach nicht. Er hat kein Wort davon gesagt, dass er zum Pool will. Er wollte doch nur unentdeckt in sein Zimmer. Das macht alles keinen Sinn.
    Sie sagen, er muss ausgerutscht und auf den Beckenrand geknallt sein. Warum sollte das passiert sein?

    Ich glaube, dass es Jörg war. Er hat mit Sicherheit auch das Feuer gelegt. Sie sagen, es könnte jeder x-Beliebige an dem Haus gezündelt haben. Es gab eine Untersuchung, aber sie haben ihm nichts nachweisen können. Es ist reiner Zufall gewesen, dass das Feuer sich nicht ausgebreitet hat, sondern wieder erloschen ist. Wir hätten in dem Haus krepieren können!
    Sie halten alles für ein Hirngespinst. Ich will weg von hier. Mama würde mir glauben, wenn ich ihr alles erzählen würde. Aber was würde das nützen? Sie würde sich nur Sorgen um mich machen. Ich will einfach nur weg von hier! Weg von Jörg, weil …
     
     
    Das Poltern auf dem Dachboden war so laut, dass Anna aufschrie.
    »Gott im Himmel, was war das schon wieder?!«, sagte sie laut. Hubert hatte den Lärm ebenfalls gehört und spitzte die Ohren. Anna sprang mit einem Satz aus dem Bett und bewaffnete sich mit ihrer Taschenlampe, die für Notfälle in der Nachttischschublade lag.
    »Komm, Hubert«, sagte sie, schlich über den Flur, griff nach dem Stock, an dem der Hakenzug befestigt war, und zog die an der Dachluke befestigte knarrende Holzleiter nach unten. Langsam stieg Anna hinauf.
    Der Dachboden roch staubig, und sie musste zwei Kartons zur Seite schieben, bevor sie den halbhohen Raum betreten konnte. Mühsam schaltete sie das trübe Deckenlicht an. Der Geruch des Gerümpels und der Staub in der Luft ließen Übelkeit in ihr aufsteigen, und
sie ließ sich auf einen der Kartons sinken, atmete tief durch und schloss für einen kurzen Moment die Augen.
    Sie musste besser auf sich achtgeben. Aufregung war mit Sicherheit nicht gut für ihr Baby. Als Anna ihre Augen wieder aufschlug, fiel der Lichtstrahl ihrer Taschenlampe direkt in seine stechenden Augen.

36. KAPITEL
    B ereits in seiner Kindheit hatte er gerne geforscht, und es hatte ihm Freude bereitet, kleinen Tieren ein Verlies zu bauen. Oft hatte er Spinnen gefangen und sie in der kleinen durchsichtigen Plastikschachtel seines Quartettspiels eingesperrt, um sie bei ihrem Todeskampf zu beobachten.
    Meist hatten sie sich über lange Zeiträume nicht gerührt, um dann wieder verzweifelt den Versuch zu unternehmen, ihrem gläsernen Gefängnis zu entkommen, bis sie endlich einsahen, dass es zwecklos war. Manchmal hatte er auch eines ihrer Beine beim Verschließen der Schachtel eingeklemmt. Er mochte es, wenn sie sich ein Bein ausrissen. Die Macht, die er auf die Tiere ausübte, befriedigte ihn zutiefst.
    Fliegen waren weit dümmer als Spinnen. Sie surrten und zappelten in der Schachtel, bis sie plötzlich zusammenbrachen, nur um sich eine kurze Weile später erneut aufzubäumen.
    Natürlich hatte er damals nie daran gedacht, einen Menschen zu töten. Außer SIE natürlich.
    SIE hätten den

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