Eiszeit
ab Montag für drei Wochen in Urlaub. Von daher sehe ich überhaupt keine Schwierigkeiten. Sein Mitarbeiter, Oberkommissar Hain, ist mit dem Sachverhalt vertraut und genießt mein vollstes Vertrauen.«
Der Polizeipräsident stand auf. »Gut, so machen wir es. Und Sie, Herr Lenz, werden in Zukunft bei Ihren Ermittlungen die nötige Sensibilität an den Tag legen. Es gibt nun einmal verschiedene Gesellschaftsschichten, dem muss auch ein Hauptkommissar der Kriminalpolizei Rechnung tragen. Denken Sie während Ihres Urlaubs einmal darüber nach. Auf Wiedersehen.«
*
»Du hast doch einen Knall«, begann Brandt, nachdem der Kriminaldirektor die Tür hinter sich ins Schloss gezogen hatte. »Erstens ist es total panne , allein zu einem Fuchs wie Braun zu marschieren. Warum hast du denn den Thilo nicht mitgenommen? Sonst seid ihr doch auch wie siamesische Zwillinge. Und dann ist es wirklich mehr als ungeschickt, Braun mit Fragen nach dem finanziellen Zustand der Mälzers zu kommen.«
»Das hab ich nicht gefragt, zumindest nicht so.«
»Offen gestanden ist es mir herzlich egal, wer von euch was gesagt hat. Er behauptet, dass du unflätig gewesen seist , das reicht. Wenn es hart auf hart kommt, kann er es wahrscheinlich nicht beweisen, und darum geht es ihm jetzt auch gar nicht. Irgendwie bist du ihm auf den Schlips getreten, das hat ihm wohl missfallen. Und er hat die direkte Durchwahl unseres obersten Dienstherrn. Du weißt es bestimmt nicht, aber die beiden haben zusammen studiert und gehörten der gleichen Verbindung an. Ich zumindest habe es bis vor einer Viertelstunde nicht gewusst. Und so ruft Braun beim Innenminister an, der ruft mal eben bei Bartholdy an, und der ruft natürlich mich an.« Er machte ein verkniffenes Gesicht. »Du weißt, dass ich immer hinter dir gestanden hab, auch wenn du mal richtig danebengelegen oder dich danebenbenommen hast. Aber wenn die Politik im Spiel ist, ist auch für mich Ende der Fahnenstange. Du fährst jetzt in Urlaub und wir hoffen, dass diese dumme Geschichte aufgeklärt ist, wenn du zurück bist.«
»Wenn du meinst.«
»Ja, das meine ich, und zwar genau so, wie ich es gesagt habe. Im Übrigen teile ich wirklich die Auffassung, dass der Thilo das hinkriegt.«
»Daran habe ich nicht den geringsten Zweifel, wenn du das denken solltest.«
»Nein, dafür kenne ich dich zu gut. Du begibst dich aus der Schusslinie, verbringst einen schönen Urlaub, und wenn du zurück bist, ist Gras über die Sache gewachsen. Alles klar?«
Lenz nickte. »Alles klar.«
»Weißt du schon, wo du hin willst?«
»Nein, ich habe keine Pläne gemacht. Aber irgendwohin, wo Meer ist.«
»Dann viel Spaß.«
»Danke, Ludger.«
*
» Mannomann , das ist ja richtig scheiße gelaufen«, war Hains Kommentar ein paar Minuten später. »Und Ludger hat recht, wir hätten doch besser zusammen hingehen sollen.«
»Wer ahnt denn, dass dieser feine Herr Anwalt mit dem Innenminister zusammen studiert hat? Er lügt, zumindest in der Hauptsache.«
»Das glaube ich dir sogar. Aber der alte Braun ist einfach gerissen und weiß, wie er sich Scherereien vom Hals halten kann. Der hat schon so viele Schlachten vor Gericht geschlagen, den kann nichts mehr erschüttern.«
»Das klingt, als würdest du ihn kennen?«
»Hm«, machte Hain.
»Also was, kennst du ihn?«
»Er war der Anwalt der Gegenseite, damals in der Sache mit Mälzer.«
Nun ging Lenz ein Licht auf.
»Ach so, jetzt verstehe ich. Deswegen wolltest du auch lieber hierbleiben . Hast du Ärger gehabt mit ihm?«
»Nein, das nicht. Aber auch keine große Lust, ihn zu sehen.«
Hains Telefon auf dem Schreibtisch klingelte.
»Das ist Ludger«, orakelte Lenz. »Der will dir erzählen, dass der Iannone-Fall jetzt deiner ist.«
Während er zum Hörer griff, lächelte Hain verkniffen.
»Ein bisschen scheiß ich mir schon in die Schuhe bei dem Gedanken.«
»Ich weiß. Deswegen kriegst du den Fall ja.«
*
Der Anrufer war nicht Ludger Brandt, sondern Horst Lehmann, von allen nur › Lemmi ‹ genannt, und Hauptkommissar von K31, des Kriminaldauerdienstes.
»Er will irgendwas mit uns besprechen«, klärte Hain seinen Kollegen und Vorgesetzten nach dem kurzen Telefonat auf.
»Was denn? Ich bin offiziell in den Urlaub entlassen.«
»Dann hau halt ab«, maulte Hain. »Oder bleib hier und hör auf, davon zu faseln.«
»Schon gut«, gab Lenz kleinlaut zurück.
Ein paar Minuten später wurde Hains Bürotür von Lehmann aufgerissen.
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