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Eiszeit in Bozen

Eiszeit in Bozen

Titel: Eiszeit in Bozen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burkhard Rueth
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sollte, erwarte ich, dass Sie
mich sofort darüber informieren. Ich kann Alleingänge meiner Leute nicht
leiden. Macht denn hier jeder, was er will?«
    Mit einem Nicken entschwand Baroncini aus dem Büro. Er hatte die
erste Konfrontation mit dem Capo della Polizia mit einem blauen Auge
überstanden.
    ***
    Ein Straßencafé in Tramin
    Er hatte sich mit einem großen Becher Kaffee und der
Tagesausgabe der »Dolomiten« an einen Tisch mit Blick über die Weinberge
gesetzt. In den letzten Tagen war das Wetter zwar entgegen aller Vorhersagen
beständig, aber der Himmel war dauerhaft von einem Wolkenschleier überzogen,
durch den die Sonne nur manchmal milchig hindurchschien. Es wehte kein
Lüftchen. Die Temperaturen waren normal für die Jahreszeit, aber man hatte den
Eindruck, jederzeit könnte ein Inferno losbrechen. Solch eine Stimmung hatte er
in Südtirol nie zuvor erlebt.
    Für seine Pläne war die Lage gut, kein weiterer Neuschnee in den
Bergen, die Frostgrenze gestiegen, ordentliche Sicht. Aber wehe, es ging wieder
los. Zu dumm, dass er vom Wetter so abhängig war. Es waren Neuschneemengen
vorhergesagt, bei denen er möglicherweise den Einstieg nicht mehr finden würde.
Das wäre fatal. Gas geben, lautete die Devise.
    Er blätterte in der »Dolomiten« auf der Suche nach einer bestimmten
Meldung. Die letzte Aufgabe hatte der brave Commissario gut gelöst. Es hatte
ihm Spaß gemacht zuzusehen, wie der Hygienedienst mit vier Leuten in der Küche
einrückte, sodass jeder Gast es mitbekam. So wollte er es haben. Besonders
erfreute es ihn, dass sich Südtirol nicht als rechtsfreier Raum entpuppte. Sie
hatten tatsächlich ein paar Beamte in Zivil in der Nähe der Trattoria postiert.
Als ob er das nicht merken würde. Selbstverständlich hatte er damit gerechnet.
Armer Baroncini, hin- und hergerissen zwischen seinen Pflichten als leitender
Polizeibeamter und der Solidarität mit einem seiner besten Polizisten. Da waren
die paar Staatsstatisten eine Art Notlösung. Eine Rechtfertigung gegenüber dem
Capo. Er selbst fand das gut, weil er sich eine besonders amüsante Strafe
ausdenken konnte. Obwohl es sich im Gefüge seines Plans um eine Banalität
handelte. Das Grande Finale, das war das Ziel. Ob ein ehrbarer Commissario dazu
fähig sein würde? Wie weit würde er gehen, um seine Angebetete zu retten?
    Menschen im Grenzbereich, was für eine faszinierende Sache. Jedoch
nichts im Vergleich zu seiner eigenen Erfahrung, seinem eigenen Leben. Einst
hatte er eine blendende Zukunft vor sich gehabt, weil er sich auf sich selbst
verlassen konnte. Bis diese Idioten gekommen waren und alles zunichtegemacht
hatten. Und wofür?
    Hätten sie ihn doch einfach in Ruhe gelassen. Jetzt waren sein
Lebenswerk, seine großen Pläne zerstört. Seine überschäumenden Hoffnungen waren
längst einem umfassenden Fatalismus gewichen. Eine perfekte Basis für sein
Spiel mit dem Commissario. Auch er würde lernen müssen, was Fatalismus heißt.
    Wenn das Wetter so wäre wie sonst im Südtiroler Herbst, dann würde
er sich viel Zeit lassen, das auszukosten. Die Anwältin hatte ein exklusives,
einzigartiges und gut verstecktes Quartier, die Gletscherbewegungen waren
moderat, mit einem Einbruch war vorerst nicht zu rechnen. Aber sobald der große
Schnee kam, würde sie verrecken. Das konnte er sich nicht leisten.
    Endlich fand er den Bericht. Eine Spalte über eine Achtelseite. Er
überflog den Artikel. »Skandal in stadtbekannter Trattoria … Hygienedienst …
vielleicht geschlossen …« Damit hatte er gerechnet. Er kannte seine
Pappenheimer. Kein »Da Piero«, kein Hinweis darauf, um welche Trattoria es sich
handelte. Ausgezeichnet. Das Spiel nahm Konturen an. Er wog Vor- und Nachteile
ab.
    Ich lasse ihn nicht verlieren, sonst könnte es schneller vorbei
sein, als mir lieb ist. Aber eine Strafe, die musste sein! Darauf hatte er
gewartet, was für ein Spaß. Sofort wusste er, wie er Bellini bestrafen würde.
Damit würden sie garantiert nicht rechnen. Was für ein wunderbares Chaos, welch
ein Entree für den vorletzten Zug.
    ***
    Trattoria »Da Piero«
    Seine Mutter hatte »Hexenschlucker« gemacht, eine
Südtiroler Spezialität mit Steinpilzen und Knoblauch. Dazu gab es den
Waldfrüchte-Lagrein. Hätte er lediglich als Tröster und Berater am Tisch
gesessen, er hätte die Mahlzeit genossen. Aber das Gefühl, ein Verräter zu
sein, schlug ihm auf den Magen, zumal seine Eltern den Artikel in der
»Dolomiten« natürlich gefunden hatten.
    Antonia

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