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Eiszeit

Eiszeit

Titel: Eiszeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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wieso dauerte das so lange?
    Seine Ungeduld verdunstete, als er plötzlich hinabfiel, als wäre das Seil durchtrennt worden. Er landete mit solcher Wucht auf dem Vorsprung, daß der Schmerz durch seine Beine und die Wirbelsäule bis in den Nacken schoß. Seine Knie knickten ein, als bestünden sie aus nasser Pappe. Er fiel gegen die Eiswand, prallte zurück und kippte von dem schmalen Sims in die windzerrüttete Nacht.
    Er hatte zuviel Angst, um zu schreien.
     
    Das Schneemobil machte einen Satz und rutschte schnell vorwärts. Roger trat sofort wieder auf die Bremse, nachdem er den Fuß von ihr genommen hatte. Das rote Tuch verschwand über den Rand des Abgrunds, doch das Fahrzeug bewegte sich noch. Da das Eis vom Schnee freigeweht und vom unaufhörlichen Wind poliert worden war, bot es nur wenig Reibungsdruck. So glatt, wie der Puck beim Beilkespiel über das polierte Parkett gleitet, rutschte das Schneemobil zehn Meter weiter. Die Scheinwerfer durchbohrten eine ewige Schwärze, bevor es schließlich keine drei Meter vom Rand der Klippe entfernt stehenblieb.
     
    Das Geschirr zog sich mit einem Ruck über Brians Brust und unter seinen Armen zusammen. Verglichen mit dem pochenden Schmerz in seinen Beinen und dem dumpfen in seinem Rücken war diese neue Qual jedoch erträglich.
    Er war überrascht, noch bei Bewußtsein zu sein — und am Leben.
    Er löste die Taschenlampe von dem Werkzeuggürtel um seine Hüften und schnitt die völlige Dunkelheit um ihn mit einer Lichtklinge auf, und Sturzbäche von Schneeflocken strömten über ihn hinweg.
    Brian versuchte, nicht an das eisige Meer unter ihm zu denken, und schaute zu dem Vorsprung hinauf, von dem er gestürzt war und der sich fast anderthalb Meter über seinem Kopf befand. Einen Meter links von ihm hingen die behandschuhten Finger von George Lins lebloser rechter Hand vom Sims herab.
    Dougherty schwang nun wieder in einem kleinen Bogen an dem Seil aus. Das Seil, von dem sein Leben abhing, scharrte auf dem Vorsprung hin und her, der nicht von brennendem Benzin geglättet worden war und scharfkantig glänzte. Splitter und Eisspäne prasselten auf ihn herab, als das Seil eine flache Kerbe in die Kante des Vorsprungs schliff.
    Der Strahl einer Taschenlampe stach von oben herab.
    Brian hob den Kopf und sah, daß Roger Breskin vom Rand der Klippe zu ihm hinabschaute.
    Roger lag auf dem Eis, hatte den Kopf über den Abgrund geschoben und den rechten Arm mit der Taschenlampe ausgestreckt. Er legte die freie Hand an den Mund und rief etwas. Der Wind zerfetzte seine Worte zu bedeutungslosem Tonkonfetti.
    Brian hob eine Hand und winkte schwach.
    Roger schrie nun lauter als zuvor: »Bist du in Ordnung?« Seine Stimme klang, als käme sie vom anderen Ende eines zehn Kilometer langen Eisenbahntunnels.
    Brian nickte, so gut er konnte: Ja, ich bin in Ordnung. Mit diesem Nicken konnte er jedoch nicht das Ausmaß seiner Furcht und Besorgnis übermitteln, die der anhaltende Schmerz in seinen Beinen verursachte.
    Breskin schrie wieder etwas, doch nur ein paar seiner Worte erreichten Brian: »Gehe... Schneemobil... Rückwärtsgang... Zieh dich... hoch.«
    Erneut nickte Brian.
    »... langsam ... vermeiden ... wieder zu schnell... das Eis ... gerutscht.«
    Roger verschwand, eilte offensichtlich zu dem Schneemobil zurück.
    Ohne die Taschenlampe auszuschalten, befestigte Brian sie wieder am Werkzeuggürtel. Ihr Strahl schien nun auf seinen rechten Fuß hinab. Er faßte nach oben, ergriff das straffe Seil mit beiden Händen und zog sich ein Stück hoch, um seine Oberarme etwas zu entlasten, von denen er glaubte, sie würden jeden Augenblick aus den Schultergelenken gerissen werden.
    Das Schneemobil zerrte das Seil hoch. Im Vergleich zu seinem Abstieg war die Bewegung geradezu sanft, und er wurde nicht mehr gegen die Eiswand geworfen.
    Von den Knien abwärts befanden seine Beine sich noch unterhalb des Vorsprungs. Er schwang sie hoch, setzte beide Füße auf das schmale Sims aus Eis und blieb dort hocken. Dann ließ er das Tau los und richtete sich auf. Seine Knöchel schmerzten, die Knie fühlten sich an, als bestünden sie aus Gelee, und in seinen Oberschenkeln brannte Schmerz. Doch seine Beine trugen ihn.
    Er holte einen großen Nagel — zehn Zentimeter lang, mit scharfer Spitze, oben mit einer Öse versehen — aus einer mit einem Reißverschluß gesicherten Tasche seiner Jacke. Dann zog er einen kleinen Hammer aus seinem Werkzeuggürtel und schlug den Nagel in eine schmale Spalte in

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