Eiszeit
angenehme Assoziationen. Und diese Suche war bestimmt kein vergnüglicher Höhepunkt in seinem Leben. Wenn er die Pfeife benutzte, daran paffte, während er den Inhalt der Schließfächer seiner Freunde durchsuchte, dann ... nun ja, bei ihm stellte sich die Ahnung ein, daß er dann nie wieder eine gute Pfeife würde genießen können.
Also schön. Wo sollte er anfangen?
Roger Breskin.
Franz Fischer.
George Lin.
Claude Jobert.
Pete Johnson.
Das waren die fünf Verdächtigen. Soweit Gunvald es wußte, waren sie alle gute Männer, wenngleich einige freundlicher waren und man mit ihnen besser auskam als mit anderen. Sie waren klüger und ausgeglichener als der Durchschnittsmensch auf der Straße; sie mußten es sein, um erfolgreich als Wissenschaftler und Forscher in der Arktis wirken zu können, wo die Ansprüche, die der Beruf stellte, und der ungewöhnlich starke Druck schnell diejenigen eliminierte, die nicht selbstbewußt und außergewöhnlich stabil waren. Niemand war ein aussichtsreicher Kandidat für das Etikett ›psychopathischer Mörder‹, nicht einmal George Lin, der auf dieser Expedition bereits einmal abweichendes Verhalten enthüllt hatte, nachdem er während einer langen und bewundernswerten Laufbahn an zahlreichen anderen Projekten auf dem Eis mitgewirkt hatte.
Er entschloß sich, mit Roger Breskin anzufangen, weil Rogers Schrank der erste in der Reihe war. Alle Regalfächer bis auf das oberste waren leer, und darin fand sich ein Pappkarton. Gunvald zog ihn hinaus und stellte ihn zwischen seine Füße.
Wie er erwartet hatte, reiste der Kanadier nur mit leichtem Gepäck. Der Karton enthielt nur vier Gegenstände. Unter einem Glasrahmen ein Farbfoto von Rogers Mutter: eine Frau mit starkem Kinn und einnehmendem Lächeln, lockigem grauem Haar und einer schwarz umrandeten Brille. In einem Etui Kamm und Bürste aus Silber, beide angelaufen. Ein Rosenkranz. Und ein Sammelalbum mit Fotos und Zeitungsausschnitten, die sich alle mit Breskins Karriere als Amateurgewichtheber beschäftigten.
Gunvald ließ alles auf dem Boden liegen und schob die Holzkiste einen halben Meter nach links. Dann setzte er sich vor Fischers Schrank.
Das U-Boot war wieder untergetaucht, hielt eine Position dicht unter der Oberfläche, auf höchster Periskoptiefe. Es lag auf dem berechneten Kurs des Eisbergs auf der Lauer.
Auf der Plattform des Kommandoturms im Kontrollraum stand Nikita Gorow am Periskop und hatte die Arme über die horizontalen ›Ohren‹ auf dessen Sockel gelegt. Obwohl die Spitze des Guckrohrs sich knapp drei Meter über der Wasseroberfläche befand, prallten die Sturmwellen dagegen, überspülten es und nahmen ihm gelegentlich die Sicht. Doch wenn das obere Fenster aus dem Wasser war, wurde die nächtliche See enthüllt, die von vier treibenden, ersterbenden Leuchtsignalen erhellt wurde.
Der Eisberg war bereits vor ihren Bug getrieben worden, dreihundert Meter nördlich von ihrer Position. Das leuchtende weiße Gebilde hob sich deutlich vor der schwarzen Nacht und dem Meer ab.
Schukow stand neben dem Kapitän. Er trug Kopfhörer und stand über Funk mit dem Maat im vorderen Torpedoraum in Kontakt. »Rohr eins bereit«, sagte er. Rechts neben Gorow überwachte ein junger Seemann das Sicherheitsschaltbrett mit den grünen und roten Lampen, die Auskunft über die Geräte und Luken im Torpedoraum gaben. Als Schukow den Bericht aus dem Torpedoraum wiederholte und mitteilte, daß das Verschlußschott gesichert war, bestätigte der Matrose an der Schalttafel: »Grün und überprüft.«
»Rohr geflutet.«
Von der Schalttafel: »Flutung angezeigt.«
»Mündungsschott geöffnet.«
»Rot und überprüft.«
»Rohrklappen geöffnet.«
»Rot und überprüft.«
Die Ilja Pogodin war in erster Linie kein Kriegsschiff, sondern ein Informationssammler. Sie war nicht mit Atomraketen versehen. Doch das Russische Marineministerium hatte den Beschluß gefaßt, daß jedes U-Boot darauf vorbereitet sein sollte, im Falle eines nichtatomaren Krieges die Schlacht ins Feindesland zu tragen. Daher war das Schiff mit zwölf elektrischen Torpedos ausgerüstet. Jeder dieser stählernen Haie wog über anderthalb Tonnen, war mit siebenhundert Pfund hochexplosivem Sprengstoff bestückt und hatte ein gewaltiges Vernichtungspotential. Die Ilja Pogodin war wirklich kein Kriegsschiff, doch sollte sie den Befehl dazu bekommen, hätte sie eine beträchtliche Tonnage feindlicher Schiffe versenken können.
»Rohr eins bereit«, sagte
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