Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ekel / Leichensache Kollbeck

Ekel / Leichensache Kollbeck

Titel: Ekel / Leichensache Kollbeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Girod
Vom Netzwerk:
schon gewählt, nämlich Jesus Christus!“ Weitere ähnliche Aktionen bringen ihm immer wieder Minuspunkte bei den staatlichen Organen ein. Eine Kontroverse nach der anderen muß er mit dem Bürgermeister ausfechten. Mitunter reagiert er dabei affektiv, grobschlächtig und unsachlich.
    Doch seine Predigten sind gut besucht, lebendig, anschaulich, unkonventionell. Er verläßt häufig das Konzept seiner Predigt, um seiner Spontaneität freien Lauf zu lassen. All das fördert einerseits die Neugierde der Gemeindemitglieder an seinen Predigten, die stets voller Überraschungen sind, stößt aber andererseits bei seinen Amtsbrüdern auch auf Ablehnung.
    Folgerichtig bringt der Rat des Kreises Zeitz Bedenken gegen eine Berufung des Pfarrers Brüsewitz nach Rippicha vor, so daß die Kirchenleitung immer wieder einlenken muß. Anfang 1971 wird er schließlich offiziell als Pfarrer eingeführt. Mit großem Eifer stürzt er sich auf die nun selbständige Arbeit: In den Ortschaften seines Pfarrsprengels entstehen Gemeinderäume, alte werden ausgebaut und mehrere beschädigte Kirchen repariert, alles zum Wohlgefallen der Gläubigen. Das Aufstellen von selbstgefertigten Plakaten mit kurzen biblischen Texten hält er weiterhin für ein wichtiges Element kirchlicher Öffentlichkeitsarbeit.
    Im August 1971 kommt es erneut zu einer Konfrontation mit den Staatsorganen: Auf dem Pfarrgelände soll nämlich ein ökumenisches Kinderfest stattfinden. Mehrere hundert Kinder werden erwartet. Trotz mehrfacher Erinnerung weigert sich Brüsewitz mit der ihm eigenen Sturheit, seiner Anmeldepflicht bei den örtlichen Behörden nachzukommen. Ein gegen ihn eingeleitetes polizeiliches Ordnungsstrafverfahren ist die Folge.
    Als 1974 auf dem Grundstück der Schule ein Plakat „25 Jahre DDR“ aufgestellt wurde, plaziert er gegenüber auf dem Kirchengelände ein eigenes Plakat „2000 Jahre Kirche Jesu Christi“. Doch die Staatsmacht hat keinen Sinn für Humor, sondern hält dies völlig zu Recht für eine Provokation. Denn: Provokation ist für Brüsewitz immer ein Mittel der Auseinandersetzung und entspricht seiner kämpferischen Natur.
    Während er im direkten Umgang mit den Gemeindemitgliedern Hilfsbereitschaft zeigt, sich altruistisch der Schwachen und Hilfebedürftigen annimmt, wird der Kreis der Kirchgänger mit der Zeit immer kleiner. Ein Grund dafür ist, daß seine ansonsten lebhaften Predigten mit der Zeit inhaltlich abflachen und regelmäßig auf das Thema „Bolschewismus – die praktische Gottlosigkeit“ zusteuern.
    Unzuverlässigkeit bei der Einhaltung von Terminen und mitunter konfuse, sogar belächelte Diskussionsbeiträge im Pfarrkonvent des Zeitzer Kirchenkreises schaden seiner Autorität unter den Amtsbrüdern. Und mit der Zeit spürt er, daß er von ihnen nicht ernstgenommen wird.
    In der Trockenzeit des Sommers 1975 fährt er mit einem Pferdegespann ins Stadtzentrum von Zeitz. Auf dem Fuhrwerk hat er ein Transparent angebracht. Auf der einen Seite ist zu lesen: „Die Kirche ist in Not“, auf der anderen: „Ohne Regen, ohne Gott geht die ganze Welt bankrott“. Prompt wird er von der Volkspolizei zur „Feststellung eines Sachverhalts“ abgeführt und länger als eine Stunde befragt.
    Einer Amtsschwester berichtet er davon und meint, daß diese Fahrt nur die erste Stufe eines Drei-Stufenplans sei. Weitere Aktionen würden folgen. Doch konkrete Angaben dazu macht er nicht.
    Einen Monat später brennt die Scheune auf seinem Pfarrgrundstück nieder. Die Brandursachenermittler der Feuerwehr stellen Selbstentzündung des eingelagerten Strohs als Ursache fest. Brüsewitz bezweifelt diese Ursache, grübelt darüber nach, ob er vielleicht durch unbekannte Bösewichte vorsätzlich geschädigt werden sollte.
    Auf die Zeitzer Vorgänge reagieren sowohl die Staatsorgane als auch die kirchlichen Vorgesetzten mit Mißfallen. Oskar Brüsewitz wird vom Vertreter des Bischofs der Kirchenprovinz Sachsen zu einem klärenden Gespräch nach Magdeburg gebeten. Dort nimmt er die Möglichkeit wahr, über seine Befindlichkeiten zu sprechen. Seit langem fühle er sich sehr bedrückt, eingeengt, umzingelt, inmitten einer „Kesselschlacht“, leide unter dem schwindenden Erfolg seiner Kirchenarbeit, teilt er mit. Weil seine Befindlichkeiten ernstgenommen werden, empfindet er dieses Gespräch als bereichernd und sagt zu, ähnliche Unternehmungen wie die Aktion in Zeitz künftig zu unterlassen.
    Es scheint, als hätten sich die Wogen geglättet. Doch

Weitere Kostenlose Bücher