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Ekel / Leichensache Kollbeck

Ekel / Leichensache Kollbeck

Titel: Ekel / Leichensache Kollbeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Girod
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dieser ihn mit scharfer Stimme fragt: „Abteilung K – Mitte. Sichern Sie so den Ereignisort?“ springt der Wachtmeister auf, ordnet seine Uniform und erstattet Meldung: „VP-Meister Jarisch, Revier 6, zur Sicherung der Wohnung Weber abkommandiert! Der Bruder der Toten, ein Herr Schneidereit, ist Auffindungszeuge, wohnhaft Oderberger Straße, befindet sich jetzt in der Nachbarwohnung und wartet auf Sie!“
    Er übergibt Gregorius ein Schlüsselbund. „Das sind die Wohnungsschlüssel der Toten. Der Bruder und ein Arzt waren drin, ich nicht.“
    „Und wo ist der Totenschein?“ fragt Gregorius.
    „Ist im Besitz des Auffindungszeugen“, antwortet der Uniformierte kurz.
    „Gut, bis ich drinnen fertig bin, bleiben Sie hier. – Aber im Stehen!“ fordert der Kriminalist.
    „In Ordnung!“ pariert der Wachtmeister diszipliniert. Gregorius frohlockt innerlich: Er hat einen ebensolchen Dienstgrad wie der Uniformierte. Aber von der K zu sein, einen adretten Anzug mit Schlips und Kragen zu tragen und ein wenig Autorität zu zeigen, das hat eben etwas für sich.
    Bevor Gregorius die Wohnungstür der toten Dame öffnet, klingelt er an der Nachbarwohnung. Eine kleine, ältere Frau mit lebhaften Augen öffnet die Tür einen Spalt weit. Er zeigt seine Dienstmarke: „Kriminalpolizei! Ich glaube, Sie wissen, warum ich hier bin!“
    „Komm’ Se rin, Herr Kriminal, Herr Schneidereit wart schon uff Ihnen!“
    Sie führt Gregorius zur Küche. Ein älterer Mann, etwa Mitte 70, steht am Fenster, wirkt ruhig und gefaßt. Auf dem Küchentisch liegt der Totenschein. Gregorius überfliegt ihn: Nicht natürlicher Tod, vermutlich Suizid durch Erhängen. Dann wendet er sich an den Alten: „Herr Schneidereit! Mein aufrichtiges Beileid! Sie sind der Bruder der Verstorbenen?“
    „Ja“, antwortet dieser leise und setzt fort, während er eine Postkarte aus der Jacke fingert und sie Gregorius übergibt: „Hier, hat sie mir geschrieben, kam heute morgen mit der Post. Ich wohne in der Oderberger Straße, Prenzlauer Berg. Wir haben gegenseitig unsere Wohnungsschlüssel. Falls nötig, kann immer einer zur Stelle sein. Verstehen Sie, in unserem Alter! Deshalb bin ich hier!“
    Gregorius hat einige Schwierigkeiten, die Karte zu lesen. Sie wurde mit leicht zittriger Hand in alter deutscher Schrift verfaßt, die er nie erlernt hatte:
    „Mein lieber Bruder Paul!
    Berlin, d. 1.5.65
    Wenn Du die Karte erhalten hast, komm bitte gleich zu mir. Ich habe alle Papiere hingelegt. Mach es bitte so, wie ich es geschrieben habe. Über 30 Jahre wohne ich hier. Hier starb mein Rudolf. Umziehen will ich nicht mehr. Nur in den Himmel. Bitte erschrick nicht. Verzeih mir
.
    Deine Schwester Lisbeth“
    „Ich habe geahnt, daß sie sich etwas angetan hat. Als mein Schwager gestorben war, hat Lisbeth mehrmals gesagt, daß es ihr nicht schwerfallen würde, ihm zu folgen“, klagt Schneidereit.
    Gregorius bittet ihn, die Karte für die Zeit der polizeilichen Untersuchungen behalten zu dürfen und will die Umstände wissen, wie er seine tote Schwester gefunden hat. Der Alte schildert, wie er mit mulmigen Gefühlen gegen 10.45 Uhr die Wohnung seiner Schwester betreten habe. Der Korridor sei erleuchtet, aber alle Türen wären geschlossen gewesen. Auf dem Korridorläufer habe ein handgeschriebener Zettel von Lisbeth mit einer weiteren Nachricht an ihn gelegen, daß er ihren gemeinsamen Hausarzt, Dr. Wagenknecht, informieren und beim Öffnen der Küchentür vorsichtig sein solle. An der Küchentür war auch ein Zettel angebracht, den er in der Aufregung aber nicht lesen konnte. Nur mit Mühe sei ihm das Öffnen der Küchentür gelungen, denn seine Schwester habe, auf dem Küchenboden kniend, an der Türklinke gehangen. Er mußte sich kraftvoll gegen die Tür stemmen, um ihren toten Körper wegzuschieben. Erst dann konnte er die Schlinge von der Türklinke lösen und den Leichnam auf den Fußboden legen. Der Körper sei ziemlich steif gewesen. Mehr habe er nicht gemacht. So sei er auch nicht in den anderen Räumen gewesen, habe statt dessen den Arzt angerufen. Ein Telefon gäbe es in der Tischlerei im Nebenhaus. Dr. Wagenknecht sei auch bald erschienen, um die tote Schwester zu untersuchen und ihm mitzuteilen, daß er die VP verständigen werde. Seitdem habe er sich bei der Nachbarin aufgehalten.
    „Sind noch andere Verwandte zu verständigen?“ will Gregorius wissen.
    „Lisbeth hat keine Kinder, und ich auch nicht. Nein, wir sind die letzten unserer Familie“,

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