Ekel / Leichensache Kollbeck
sexuellen Kontakte zeigen ungewollte Folgen: Das Mädchen wird schwanger. Das ist Erwin gar nicht recht. Dennoch: Er heiratet Monate später die hochschwangere junge Frau. Seine Eltern wünschen dies. Da er ihnen auf der Tasche liegt und befürchten muß, daß sie sonst den Geldhahn zudrehen könnten, kommt er ihrem Wunsche nach. Von Anbeginn kann er keine innere Zuneigung zu Renate entwickeln. Trotzdem zieht das junge Paar in eine kleine Wohnung am Rande Eisenachs. Seine eheliche Treue hält nur einen knappen Monat. Die Gattin kommt ihm schnell auf die Schliche, ist enttäuscht und verzweifelt. Doch Erwin nimmt keine Rücksicht auf den Gemütszustand der jungen, schwangeren Frau. Die Versprechen, den ehelichen Seitensprüngen abzuschwören, haben nur wenige Tage Bestand. Noch vor der Geburt seiner Tochter Sabine im Mai 1964 betrügt er sie wieder. Unverblümt, ja genüßlich berichtet er Renate von seinen Amouren. Er kann das tun, weil er sie skrupellos manipulieren kann. Körperliche und psychische Attacken haben die junge Frau bereits derart labilisiert, daß sie sich ihm willenlos ausliefert. Zunehmend wird der intellektuelle Despot zu einem primitiven Schläger.
Im Herbstsemester 1964 nimmt Erwin ein Studium im Fach Datenverarbeitung an der Technischen Universität Dresden auf und stürzt sich gleich von einem Liebesabenteuer ins andere. Die Trennung von Eisenach und seiner jungen Familie kommt ihm sehr gelegen, weil er nach wenigen Wochen Ehe ihrer schon längst überdrüssig geworden ist. Seine ichbezogenen Wertvorstellungen beschreibt er in einer späteren kriminalpolizeilichen Vernehmung so: „Alles mitnehmen, was das Leben bietet. Ich will mein eigenes individuelles Leben leben, kalt und rücksichtslos will ich in erotische Abgründe sinken …“
Hemmungslos läßt er die Liebesbriefe seiner Dresdener Liebschaften nach Hause senden. Natürlich muß Erwin die zaghaften Vorwürfe seiner jungen Frau abwehren, die ihn ständig darum bittet, auf den Pfad der ehelichen Treue zurückzukehren. Aber er weiß seine Frau zu nehmen: Allein die resolute Ankündigung, sich scheiden lassen zu wollen, macht sie ruhig. Sie verfällt dann in eine so angstdurchsetzte Demutshaltung, daß sie ihm, wie er es auszudrücken pflegt, „in lammfrommer Zahmheit jeden Dreck aus der Hand frißt“. Genüßlich, ja geradezu sadistisch, übt er seine Herrschaft über sie aus.
Im August 1967 lernt Erwin Schaper die 17jährige Eisenacherin Marlene Gruber kennen. Ein bildhübsches, blondes Mädchen, das ihn unverzüglich in seinen Bann zieht. Sie weiß, daß er verheiratet und Vater einer kleinen Tochter ist. Das macht sie zunächst einigermaßen widerstandsfähig gegen seine unmißverständlichen Paarungsabsichten.
Inzwischen brauen sich an seinem Studienort Dresden dunkle Wolken über ihm zusammen, Vorboten verhängnisvoller Ereignisse. Anfang November 1967 wird er nämlich vor die FDJ-Leitung der Universität zitiert. Dort sitzen Menschen seines Alters, Studenten seiner Fakultät. In ihren uniformen, blauen FDJ-Hemden wirken sie unnahbar und befremdlich. Die meisten kennt er. Mit manchem hat er im Studentenkeller bereits ein Bierchen getrunken. Es sind aber auch Studentinnen darunter. Anderswo hätten ihn deren weibliche Reize längst zur Balz veranlaßt. Die Jugendfreunde blicken ihn ernst und durchdringend an. Das macht ihn unsicher und nervös, zumal er sich des Ernstes seiner Situation erst bewußt wird, als schwere Vorwürfe auf ihn niederprasseln: Das bewilligte Leistungsstipendium habe er sich durch arglistige Täuschung erschlichen. Es stimmt. Er hat nämlich eine hervorragende Hausarbeit geschrieben, die er allerdings aus einer fremden Arbeit ungeniert abgekupfert und als sein Produkt ausgegeben hat. Der Schwindel ist herausgekommen, und nun verlangt man von ihm, dieses unverzeihliche Wissenschaftsvergehen einzugestehen. Erwin Schaper sieht das nicht so verbissen, betrachtet es eher als akademisches Kavaliersdelikt. Doch die Jugendfreunde zeigen sich unerbittlich, donnern ihm ihre Mißachtung entgegen.
Auch sein unmoralisches Verhalten kommt zur Sprache: Er habe in kurzer Zeit den zweifelhaften Ruf eines „Hurenbocks der Fakultät“ erworben. Es wäre nicht hinnehmbar, wie er als FDJ-Mitglied und junger, verheirateter Familienvater mit seiner dekadenten Lebensweise so eklatant gegen die Gebote der sozialistischen Moral verstoße.
Daß gerade die Mädchen aus dem gestrengen Gremium ihren Abscheu kübelweise über ihn
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