Ekel / Leichensache Kollbeck
Freigabe des Leichnams seiner Schwester erfolgt. Gregorius erläutert ihm, daß bei nichtnatürlichen Todesfällen nach § 94 StPO die Leiche formalrechtlich beschlagnahmt wird. Erst nach der kriminalpolizeilichen Untersuchung gibt der Staatsanwalt eine schriftliche Zustimmung für die Bestattung des Leichnams.
„Sie erhalten dann die Sterbeurkunde direkt in der standesamtlichen Zweigstelle im Kellergeschoß des Gerichtsmedizinischen Instituts“, schließt Gregorius das Gespräch ab.
Noch am Nachmittag ermittelt Gregorius in der für den Gebäudeabriß zuständigen Abteilung beim Rat des Stadtbezirks Mitte, die im Berolinahaus am Alexanderplatz residiert. Dort erfährt er, Frau Lisbeth Weber sei vor einigen Tagen ein Schreiben zugestellt worden: Abriß des Hauses im Herbst. Umzug in eine Neubauwohnung Ende Juni!
„Alter Baum will nicht verpflanzt werden“, heißt ein altes Sprichwort. Der psychischen Belastung einer erneuten Ortsveränderung wollte Lisbeth Weber mit allen Mitteln ausweichen. Gewöhnung an ein altes Haus, aber auch Treue zu einem Versprechen waren die ausschlaggebenden Impulse für ihren Freitod.
Einige Monate nach dem Tode Lisbeth Webers beginnt der gewaltige Baurummel am Alexanderplatz. Dutzende von Baggern und Kränen künden von den bevorstehenden Veränderungen. Gregorius erlebt, wie das Haus Keibelstraße 1 und mit ihm alle umliegenden Häuser abgerissen werden. An ihrer Stelle entsteht der Funktionalbau „Haus der Elektroindustrie“ und ein großes Parkhaus. Nur eine kurze Sackgasse zwischen diesen Gebäudekomplexen läßt noch ahnen, daß dort einstmals die Alte Schützenstraße verlief.
Überhaupt erinnert bald nichts mehr an den alten Alexanderplatz, seine Konturen verschmelzen mit der tristen Neubauarchitektur zur Unkenntlichkeit. Die Leichensache Lisbeth Weber bleibt Gregorius noch viele Jahre in lebhafter Erinnerung.
Die Strangulation ist neben der Vergiftung die häufigste Begehungsweise bei Selbsttötungen. Sie kommt durch die Unterbrechung der Blutzufuhr ins Gehirn durch teilweise oder vollständige, zirkuläre Kompression des Halses zustande. Da hierbei nach Art des Geschehens und der Methode der Kompression verschiedene Faktoren den Todeseintritt bewirken, unterteilt man die Strangulation in Erwürgen, Erdrosseln und Erhängen. Erfolgt sie ohne Werkzeug, das heißt, nur mit den Händen, liegt Erwürgen vor und ist ein sicheres Zeichen für die Einwirkung fremder Hand, da ein Selbsterwürgen nicht möglich ist. Beim Erdrosseln werden die Halsweichteile durch ein Strangwerkzeug ohne Aufhängung des Körpers zusammengeschnürt. Das Strangwerkzeug wird daher nicht durch das Körpergewicht, sondern durch manuelles Zusammenziehen wirksam
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Ein suizidales Erdrosseln ist sehr selten und nur möglich, wenn hebelnde Gegenstände in den Drosselmechanismus integriert werden, die ein Nachlassen der auf die Halsweichteile wirkenden mechanischen Kräfte verhindern. Anderenfalls löst sich der Drosselmechanismus bei Eintritt der Bewußtlosigkeit. In den weitaus meisten Fällen ist der Tod durch Erdrosseln auf das Handeln einer fremden Person (Mörder oder Totschläger) zurückzuführen. Die forensische Beurteilung des Strangwerkzeuges, der Knotenführung, der äußeren und inneren Strangmarke am Hals des Betreffenden zum Beweis der Mitwirkung fremder Hand bereitet in der Regel keine Schwierigkeiten
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Beim typischen Erhängen (Körper hängt frei in der Schlinge) wird durch den nicht zu breiten und zu dicken Strang der Zungengrund nach hinten und oben gegen die Rachenwand gepreßt und dadurch die Luftzufuhr unterbrochen. Entscheidend ist aber das Abschnüren der Halsschlagadern, die zusammen mit den Wirbelsäulenarterien das Gehirn mit Blut versorgen. Entgegen weitverbreiteter Meinung tritt der Tod aber nur höchst selten durch Bruch der Halswirbelkörper ein. Vielmehr führt die rasante Unterbrechung der Blutzufuhr zum Gehirn zum raschen Tod. Dieser Mechanismus wird vielfach unterschätzt, weshalb unfallbedingte Strangulationen (insbesondere bei Kindern) keine Seltenheit sind
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Ein relativ geringes Abschnüren der Halsschlagadern, zu dem keineswegs das ganze Körpergewicht, sondern lediglich ein Zug oder Druck von etwa 3,5 Kilopond erforderlich sind, genügt bereits, um sofortige Bewußtlosigkeit und nach etwa 20 Sekunden den Tod herbeizuführen. Es ist daher erklärlich, daß etwa 80 Prozent der suizidalen Erhängungen atypisch verlaufen und der Betreffende sitzend, knieend, kauernd
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