Ekel / Leichensache Kollbeck
Wort. Willenlos ist sie in ihre alte Hörigkeit zurückgefallen.
Äußerlich verhält sich Erwin freundlich, aufgeschlossen und ausgeglichen. Tief im Innern aber beschäftigt er sich ständig mit seinem tödlichen Plan. Dabei kommt ihm die Idee, Renate bei passender Gelegenheit so zu schockieren, daß sie den Tod wünscht. Am liebsten wäre ihm, wenn sie die Tötung durch seine Hand verlangt. Natürlich wolle er dann versprechen, ihr unmittelbar danach in den Tod zu folgen. In Wirklichkeit aber beabsichtigte er, mit der Selbsttötung noch zu warten.
Ich will, denkt er, die letzten Stunden des Lebens mit der Frau verbringen, die mir am nächsten steht. Und damit meint er Marlene.
An den Weihnachtsfeiertagen gibt sich Erwin Schaper herzlich und gutgelaunt wie ein glücklicher Familienvater beim Anblick strahlender Kinderaugen im Kerzenlicht. Doch in der Nacht vom 27. zum 28. Dezember lenkt er in einem langen Bettgespräch das Thema darauf, sich das Leben nehmen zu wollen. Geschickt täuscht er eine tiefe Schwermut vor: Aber es ist nur ein Test. Er will wissen, wie Renate auf die Frage des Todes reagiert. Zu seiner Überraschung läßt sie sich in keiner Weise von seiner vorgetäuschten Traurigkeit anstecken, so wie er es erwartet hatte. Im Gegenteil: Sie versucht ihn zu trösten, vermittelt Zuversicht und setzt alles daran, ihn von einer Selbsttötungsabsicht abzubringen.
In der nächsten Nacht läßt Erwin Renate wieder nicht schlafen. Mit teuflischem Zynismus gesteht er, ihr in den letzten Tagen nur etwas vorgegaukelt zu haben. Seine Ehe sei nach wie vor verkorkst, nur bei seiner neuen Geliebten fühle er sich wohl. Durch die Anspannung der letzten Zeit und durch Übermüdung sind ihre Nerven gänzlich bloßgelegt. Sie bricht innerlich zusammen, kann nur noch weinen. Nun sieht auch sie keinen Ausweg mehr aus dem Chaos der Ehe.
Erwin redet auf sie ein, daß es besser wäre zu sterben. Sie solle doch mitmachen. Für ihn sei der Selbstmord längst beschlossene Sache. Jetzt könne sie sich doch anschließen, und alle Probleme wären gelöst. In ihrer Verzweiflung stößt Renate heraus, unter diesen Umständen lieber sterben zu wollen. Erwin ist zufrieden. Doch dann macht sie eine Einschränkung und sagt: „Laß uns erst Silvester feiern, dann machen wir gemeinsam Schluß!“ Und Erwin ist einverstanden.
Am nächsten Morgen. Renate und Erwin stehen frühzeitig auf. Die kleine Sabine schläft noch. Renate hatte einen unruhigen, alptraumreichen Etappenschlaf, der ihre Traurigkeit und Erschöpfung nur fördert. Erwin kommt hinzu, als sie weinend vor dem Kinderbettchen steht und fragt: „Was wird nur aus unserer Sabine, wenn wir nicht mehr sind?“
Diese Situation bringt Erwin auf den Gedanken, Renate jetzt schon zu töten, zumal er Silvester lieber mit Marlene verbringen möchte.
Er blickt auf das schlafende Kind und denkt: Auch du hast keine Berechtigung mehr zu leben, wenn die Eltern tot sind.
Mit verheultem Gesicht verläßt Renate das Zimmer, um die Toilette aufzusuchen. Als sie nach wenigen Minuten zurückkehrt, erstarrt das Blut in ihren Adern: Die dreijährige Sabine lebt nicht mehr. Erwin hat sie inzwischen mit einem Gürtel erdrosselt. Renate bricht auf der Stelle zusammen. Der Kreislauf hat versagt. Als sie wieder zu sich kommt, winselt sie: „Töte mich, mach es schnell!“
Erwin Schaper umfaßt ihren Hals. Doch beim ersten Druck auf den Kehlkopf ächzt sie: „Das tut weh!“
„Soll ich ein Messer holen?“ fragt Erwin eiskalt.
„Nein, bitte kein Messer, öffne die Gashähne“, stöhnt sie gequält. Aber sie weiß nicht mehr, was sie sagt. Ihr Verstand kann nichts mehr erfassen. Geistesabwesend hockt sie auf dem Fußboden des Schlafzimmers und gibt undeutliche Laute von sich, als wenn sie etwas sagen wolle. Erwin setzt sie auf einen Stuhl, holt aus dem Wohnzimmerschrank eine Flasche Wodka, entkorkt sie und hält die Flaschenöffnung an Renates Mund: „Trink aus, dann mach ich es!“
Und Renate trinkt, verschluckt sich, trinkt wieder. Als die Flasche fast geleert ist, fällt sie seitlich vom Stuhl. Der Vollrausch hat sie niedergestreckt. Erwin verdrillt einen Seidenschal und schlingt ihn um ihren Hals, tritt mit einem Fuß auf eines der Enden und zieht mit den Händen das andere Ende kräftig an. So verharrt er, bis Renate keinen Laut mehr von sich gibt. Er löst die Schlinge erst, nachdem er vermutet, daß sie tot ist. Aber: Um ganz sicher zu gehen, stößt er das Küchenmesser noch zweimal in
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