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Ekel / Leichensache Kollbeck

Ekel / Leichensache Kollbeck

Titel: Ekel / Leichensache Kollbeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Girod
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stärker gelangt er zu dem Entschluß, daß es doch besser sei, mit Renate und dem Kind weiterzuleben. Er müßte zu viele Entbehrungen auf sich nehmen, würde er sich von ihr trennen. Und alle Überlegungen verbindet er mit der Suche nach einer taktisch geschickten Variante, wie er nebenbei die Liaison mit Marlene aufrecht erhalten kann.
    Dann teilt er Renate seinen Entschluß mit, bei ihr bleiben zu wollen. Aber sie reagiert ganz und gar nicht so wie er es erwartet. Nämlich: In der Annahme, sich geschickt zu verhalten, läßt sie ihn mit gespielter Überlegenheit wissen, die Ehe mit ihm ein für allemal zu beenden, weil sie einen Mann kennengelernt habe, mit dem sie ihr künftiges Leben teilen werde. Doch nichts davon stimmt. Sie will nur ein behutsames Aufbegehren gegen die bisherige Willkür ihres Gatten demonstrieren. Erwin Schaper schluckt die Bemerkung wie eine giftige Pille. Er glaubt Renate jedes Wort, spürt die Kraft, sie zu beherrschen, erlahmen. Die Enttäuschung schlägt um in heftige Erregung. Wutschnaubend stürzt er in die Küche, ergreift ein Küchenmesser, brüllt wild um sich und fügt Renate am linken Oberarm einen nicht allzu tiefen Stich bei. Doch der unbändige Zorn hat seine Ohren taub gemacht: Er kann nicht hören, wie sie ihre Behauptung widerruft. Sie blickt fassungslos auf die Fleischwunde und weint. Als Erwin sich wieder etwas beruhigt hat, verbindet er die klaffende, blutende Wunde mit einem straffen Verband.
    Renate mißdeutet seinen heftigen Erregungszustand: So kann sich nur jemand verhalten, der eifersüchtig ist. Also ist die Ehe vielleicht doch noch zu retten. Und sie beginnt, Erwin mit Schmeicheleien und Zärtlichkeiten wieder für sich zu gewinnen. Er wiederum glaubt, aus ihrem devoten Verhalten schließen zu können, daß seine Macht über sie doch nicht endgültig gebrochen ist.
    Die bisherigen Niederlagen haben Erwin Schapers inneres Selbstbild zerstört. Allenfalls rechnet er mit einem weiteren schweren Schlag. Wenn Renate nämlich doch vorhat, mit einem anderen Mann zusammenzuleben. Freilich erinnert er sich an ihr verzweifeltes Dementi. Doch nach all den ehelichen Zwistigkeiten hält er es durchaus für möglich. So frißt der Zweifel sich wie Säure durch seine Seele.
    Jetzt fühlt er sich völlig überfordert, und eine tiefgreifende Hoffnungslosigkeit erfüllt ihn. So kommt ihm der Gedanke, sich das Leben zu nehmen. Lange denkt er darüber nach, auf welche Weise er einen schnellen, schmerzlosen Tod herbeiführen könnte. Er will sich erhängen. Tagelang sucht er, das Strangwerkzeug in der Tasche, nach einer geeigneten Möglichkeit. Und wenn er sie gefunden hat, verläßt ihn der Mut, den endgültigen Schritt zu tun.
    Bei all seinen Suizidphantasien malt er sich auch aus, wie effektvoll es wäre, wenn er erst seine Frau, dann die Tochter Sabine und Marlene umbringen würde, ehe er sich selbst das Leben nimmt. Auf diese Weise würde sein Tod nicht nur außergewöhnlich und sensationell sein, sondern die Ermordung der drei würde ihm eine tiefe Befriedigung bringen, weil er „ihnen kein Weiterleben gönnt“, weil er „mit allen Mitteln verhindern will, daß sie später glücklich werden könnten“.
    Aus den zunächst spielerischen Gedanken erwächst immer mehr ein fester Entschluß. Die Vorstellung, jene zu vernichten, denen er kein glückliches Leben gönnt, stärkt den eigenen Suizidwillen und bestimmt sein weiteres Handeln. Dadurch hat er auf absonderliche Weise wieder zu sich gefunden. Renate, Marlene und seine kleine Tochter in Arglosigkeit zu wissen, das vermittelt ihm wieder das Gefühl der Herrschaft über sie.
    In dieser eingeengten Gedankenwelt konzentriert sich Erwin Schaper auf die Organisation seines Vorhabens. Die Jahreswende, die sein Leben ohnehin verändert hätte, scheint ihm der beste Zeitpunkt zu sein. Bis dahin sind es nur knapp drei Wochen, und er will die Zeit nicht ungenutzt verstreichen lassen: „In den letzten Wochen meines Lebens will ich so leben, wie ich es immer schon wollte, ruhig, ohne Anstrengungen, ohne Komplikationen.“ Zunächst täuscht er Renate eine reumütige Rückkehr in das eheliche Schlafgemach vor, das er lange Zeit gemieden hatte, verspricht einen Neuanfang, gibt sich auffallend liebenswürdig und überzeugt sie zu einer ekstatischen Liebesnacht. Als Renate das Gespräch auf die Geliebte bringt, bittet er sie um Geduld, weil er sich endgültig, aber behutsam und im Guten trennen wolle. Wonnetrunken glaubt Renate ihm jedes

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