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Ekel / Leichensache Kollbeck

Ekel / Leichensache Kollbeck

Titel: Ekel / Leichensache Kollbeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Girod
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quälende Unentschlossenheit, eine klare Entscheidung zu treffen, produziert im Wechsel mit den heimlichen Liebeserlebnissen eine lähmende Unfähigkeit zu sachlicher Konfliktbewältigung. Bald steuert die Angst sein Denken. Es führt zu dem Kompromiß, die Ehe mit Jutta, gleichzeitig aber auch die Beziehung zu Gisela erhalten zu wollen.
    Karlheinz Dalgow glaubt, damit die Krise überwinden zu können. Daß er so die Geliebte ebenfalls betrügt, indem er sie glauben läßt, seine Beziehung zu Jutta sei längst ausgekühlt, während er tatsächlich daheim ein harmonisches Intimleben vorgaukelt, überspielt er mit dem Egoismus der Feigheit. Zeit gewinnen, sich rückwärtig verschanzen, nicht in die Schußlinie geraten, denkt er, das sei die rationale Zwischenlösung. Doch das aufgewühlte Innenleben läßt ihn nicht zur Ruhe kommen, vor allem nachts. Die Vorstellung, das Kartenhaus seines Vertrauensbruchs könnte einstürzen, macht ihn ratlos. Und weil die geduldige Geliebte nicht auf einer unüberlegten, kurzfristigen Entscheidung beharrt, unterstützt sie das zermürbende Hin und Her, freilich ohne Absicht.
    Am Morgen des 9. August 1980 teilt Karlheinz Dalgow mit gespielter Zerknirschtheit seiner Gattin mit, daß das Wochenende gelaufen sei, weil er am Abend zum Dienst als OvD anrücken müsse.
    Jutta fragt enttäuscht: „Wieso immer nur du? Der Dietze von nebenan ist doch auch in deiner Einheit. Warum hat der weniger Dienst? Den seh ich dauernd im Vorgarten rumbuddeln!“ „Ach, das ist einer aus dem Regimentsstab“, beschwichtigt er sie, „für die gilt unser Dienstplan nicht!“
    Jutta unterläßt weitere kritische Fragen. Sie hat sich mit den Jahren längst in ihre Situation gefügt, ist sich klar, daß das Leben mit einem Offizier eigenen Gesetzen unterworfen ist.
    Karlheinz Dalgow spürt, wieder glimpflich davongekommen zu sein. Zufrieden mit sich ist er bis zum Nachmittag besonders nett zu Jutta. Gegen 16.00 Uhr ruft die vermeintliche Pflicht. Doch bevor er das Haus verläßt, legt er seine Dienstbekleidung an: Uniform aus mausgrauem Tuch, polierte schwarze Schaftstiefel, Koppel, Pistole, Schirmmütze. Die gelben Biesen, die die silbergeflochtenen Schulterstücke mit den vier goldfarbenen Sternen des Hauptmanns einfassen, verraten die Truppengattung. In der Uniform wirkt Dalgow auf Jutta fremd, unnahbar und streng. Und: Obwohl sie ihren Gatten schon unzählige Male so gesehen hat, empfindet sie dies immer wieder von neuem.
    Da der Hauptmann die wenigen Kilometer zur Kaserne gewöhnlich mit dem Rad zurücklegt, weil es sportlich ist und Mobilität im großen Kasernengelände schafft, will er aus Gründen der Verschleierung seiner wahren Absicht auch diesmal nicht darauf verzichten. Keinesfalls darf Juttas Argwohn geweckt werden, die ihm aus dem Fenster wie immer nachwinkt. Der glückliche Umstand, daß wenige Straßen weiter in der Garage sein alter „Moskwitsch“ steht, begünstigt sein Vorhaben. Weil Jutta nicht Auto fährt, die Garage ohnehin sein Ressort ist, entgeht ihr folgerichtig, daß der Gatte das Rad dort abstellt, um mit dem „Moskwitsch“ weiterzufahren. Natürlich nach Wildau zu Gisela. Diese Taktik hat sich schon mehrfach bewährt. Weil der OvD gewöhnlich einen 24-Stundendienst ableisten muß, erwartet ihn Jutta vor Sonntagabend nicht zurück – eine lange Zeit für Minne und Müßiggang.
    Der ganze Abend gehört der Liebe, der Sonntag hingegen einem späten, ausgedehnten Frühstück und dem Besuch der Pferderennbahn in Karlshorst, wo das „Traberderby der DDR“ stattfindet. Das wollen die beiden sich nicht entgehen lassen, auch deshalb nicht, weil in den Rennpausen Giselas Betrieb sommerliche Damenoberbekleidung vorführt. So verläuft das Wochenende in der Harmonie liebender Herzen. Trotzdem leidet Karlheinz Dalgow unter unruhigem Schlaf. Er fühlt sich innerlich gehetzt.
    Der Abend hat ein unerwartetes Ende: Als auf der Rückfahrt nach Wildau, an der Kreuzung Zeuthener Straße in Schmöckwitz, ein „Trabi“fahrer die Vorfahrt erzwingen will, läßt sich der Crash nicht mehr verhindern. Der „Moskwitsch“ büßt den rechten Scheinwerfer ein. Eigentlich ist der Schaden kaum der Rede wert, und am liebsten hätte sich Dalgow mit dem Unfallverursacher kurzerhand privat geeinigt. Doch die Tür an der Fahrerseite des „Trabant“ ist arg ramponiert: Durch die Kollision wurde ein Stück der zwar rostfreien, aber druckempfindlichen Duroplastverkleidung herausgebrochen. Nun muß über

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