Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ekel / Leichensache Kollbeck

Ekel / Leichensache Kollbeck

Titel: Ekel / Leichensache Kollbeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Girod
Vom Netzwerk:
Gesicht liegt wieder dieses merkwürdige, vielsagende Lächeln.
    Ihm entgeht das nicht. Nur kann er ihr Verhalten nicht deuten. Er ergreift die Taktik der erotischen Annäherung, umfaßt sie zärtlich, will jetzt besonders nett sein. Doch die Gattin windet sich mit der Bemerkung, daß sie noch Klassenarbeiten korrigieren müsse, aus seiner sanften Umklammerung.
    Den ganzen Abend bemüht sich Dalgow vergeblich, die Angetraute zu einem Liebesakt zu verführen. Sie hält ihn freundlich auf Distanz. Auch an den nächsten Tagen.
    Juttas sonderbares Verhalten macht Dalgow unsicher. Er kann es nicht durchschauen, wird von quälenden Überlegungen bestürmt: Ob sie womöglich die wahren Umstände des Unfalls kennt? Dann müßte sie ja auch erfahren haben, daß er eine Geliebte hat. Aber warum stellt sie ihn nicht zur Rede? Oder weiß sie vielleicht doch nichts, und lediglich seine überempfindlichen Sinne mißdeuten ihre Reaktion?
    Wieder produziert sein unruhiger Schlaf Mißlaunigkeit. Sie ist das Resultat seiner monatelangen, inneren Bedrängnis. Eitelkeit und Feigheit machen es ihm unmöglich, sich von der zentnerschweren seelischen Last zu befreien. Statt dessen beschäftigt ihn die Möglichkeit, den inneren Zwiespalt durch eine Selbsttötung ein für allemal zu lösen. Noch sind derartige Überlegungen spielerisch, sporadisch und ungeordnet. Doch Dalgow vermag sie nicht mehr zu verdrängen.
    Am Sonntagnachmittag nutzt er Juttas Abwesenheit für einen kurzen Besuch bei Gisela. Er ist gedrückt, anlehnungsbedürftig und weinerlich. Gisela findet seinen Zustand bedenklich. Sie redet auf ihn ein: Er solle endlich mit Jutta reden, ihr klaren Wein einschenken.
    „Merkst du nicht, wie dieses ewige Hinausschieben auch unsere Beziehung belastet?“ beklagt sie sich.
    Dalgow drückt seine Befürchtung aus: „Irgendwann werde ich ihr schon klarmachen, daß ich mich scheiden lassen will. Aber sie wird ein Riesenfaß aufmachen, zu meinem Parteisekretär oder Kommandeur rennen. Was meinst du, wie die sich auf der Dienststelle auf mich stürzen: Warum Trennung nach so langer Ehe? Warum nun ein Verhältnis mit einer Frau, die Westbeziehungen hat? Und das als Offizier! Dazu die Tätigkeit in einem hochsensiblen Sicherheitsbereich des Nachrichtenregiments! – Nicht auszudenken, was da losgeht!“
    „Wegen ein paar Briefen und Päckchen aus dem Westen?“ fragt Gisela erstaunt.
    „Mich mußt du nicht überzeugen! Es ist eben so: Wenn wir zusammenbleiben wollen, muß ich unterschreiben, daß du den Kontakt zu deiner Verwandtschaft abgebrochen hast! – Das ist nicht meine Erfindung, das verlangt die Geheimhaltungsordnung. Jeden dritten Monat unterschreibe ich das“, brummt Dalgow ärgerlich.
    „Ich möchte mit dir leben! Aber deshalb auf meine Verwandtschaft verzichten, das kann ich nicht!“ erklärt Gisela.
    „Laß mich erst mit Jutta sprechen. Dann sehen wir weiter“, räumt er ihre Bedenken aus. Und weil sich Gisela beruhigt, kann der Rest des Nachmittags der Liebe gewidmet werden. Dalgow lümmelt längst vor dem häuslichen Fernseher, als Jutta und Tamara in den Abendstunden von ihrem Ausflug nach Berlin heimkehren. Die Frauen haben sich noch so viel zu erzählen, daß er sich überflüssig vorkommt und alsbald im Schlafzimmer verschwindet.
    Der nächste Morgen leitet für Hauptmann Dallgow einen schwarzen Tag ein:
    Von den chronischen Schlafstörungen zermürbt, begibt er sich schon in der Frühe auf den Weg zur Kaserne. Doch unterwegs reißt die Fahrradkette. Den Rest des Weges muß er das Rad schieben. Mit ölverschmierten Händen und der Laune eines Stinktiers betritt er sein Dienstzimmer. Beflissen kümmert sich der Kompanieschreiber um das defekte Rad seines Chefs. Doch der Hauptfeldwebel meldet ein besonderes Vorkommnis: Drei Soldaten der Kompanie haben sich in der vergangenen Nacht bei einer Tanzveranstaltung in der Gaststätte „Ziegenhals“ nicht nur mit Einheimischen geprügelt, sondern auch lauthals Witze über die höchsten Repräsentanten der Arbeiter- und Bauernmacht erzählt. Und weil – wie man in solchen Fällen annehmen muß – damit klassenfeindliche Positionen demonstriert werden, ermittelt die Polizei wegen des Verdachts der Staatsverleumdung. Deshalb erwartet die Regimentsleitung die entsprechenden Disziplinarmaßnahmen.
    Dalgow tobt: „Ausgerechnet wieder meine Einheit! Müssen wir uns jeden Monat mit irgendwelchen Vorkommnissen beschäftigen, als ob wir nichts anderes zu tun hätten? Was sind das

Weitere Kostenlose Bücher