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Ekel / Leichensache Kollbeck

Ekel / Leichensache Kollbeck

Titel: Ekel / Leichensache Kollbeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Girod
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eines Studentenehepaars, das sich in der Uni gerade auf einer Hörsaalbank herumdrückt: Nichts Auffälliges, kein Gasgeruch. An der zweiten Wohnungstür wiederholt er den Schnüffelvorgang. Die beiden Nachbarinnen beobachten ihn aufmerksam. Jetzt stutzt der alte Mann. Nochmals schnüffelt er am Briefschlitz. Nun ist er sich sicher:
    „Von hier kommt’s!“
    Es ist die Wohnung eines alleinstehenden jungen Mannes, der vor einem reichlichen Jahr einzog und dem er gelegentlich im Treppenhaus begegnet. Auf dem Türschild steht der Name „Joachim Waller“. Entschlossen klopft er an die Wohnungstür. Vergeblich.
    „Ich habe vorhin schon geklingelt, der ist nicht da“, bemerkt die eine Nachbarin mit unschuldigem Gesicht.
    Rentner Zeidler schlägt die Hände über dem Kopf zusammen.
    „Um Himmels willen, wollen Sie das Haus in die Luft jagen?“ entsetzt er sich vorwurfsvoll.
    „Die Klingel ist ja abgestellt, sie geht nicht“, reagiert die Nachbarin kleinlaut. Dann beweist sie, daß sie recht hat.
    „Trotzdem“, mahnt Zeidler, „bei Gasgeruch darf man doch nicht klingeln. Ein kleiner Funke nur – und bums!“ Die Nachbarin macht ein so erstauntes Gesicht, als hätte sie begriffen, daß ihr ein zweites Leben geschenkt wurde. Zeidler klopft nochmals kräftig an die Wohnungstür und ruft: „Herr Waller!“ Der aber scheint nicht zu hören.
    „Is sicher uff Arbeit“, meint die andere Nachbarin, „der jeht imma schon janz früh aus’m Haus!“
    „Arbeitet der nicht bei der Post?“ fragt Zeidler. Ratlos heben die Frauen die Schultern: „Ja, ja, das haben wir auch schon gehört. Aber andere sagen, der soll Lehrer sein.“
    „Man muß die Tür aufbrechen“, schlägt eine der Frauen vor, „es kann ja sonstwas passieren.“
    „Aber nicht von mir“, lehnt der Rentner ab, „das ist Sache der Feuerwehr!“ Dann fordert er die beiden Frauen auf: „Öffnen Sie die Fenster im Treppenhaus, ich gehe inzwischen telefonieren!“ Er stellt seine Einkaufsbeutel ab und geht nach unten.
    Wenige Minuten später ist die Feuerwehr zur Stelle. Wenig zaghaft, dafür aber mit geübtem Handgriff und entsprechendem Werkzeug knacken die Jünger Florians das Schloß der Wohnungstür. Eine übel riechende, dicke Gaswolke strömt ihnen entgegen und verbreitet sich rasch im ganzen Treppenhaus. Zeidler folgt den Männern bis auf den Korridor. Er sieht, wie einer von ihnen den Haupthahn an der Gasuhr schließt und die beiden Fenster im Wohnzimmer aufreißt, während der andere in die Küche stürmt, um dort das Fenster zu öffnen. Ein kräftiger Luftzug treibt das gefährliche Gas-Luft-Gemisch bald ins Freie.
    Zeidler riskiert einen flüchtigen Blick in die Küche. Er erschaudert: Der Wohnungsinhaber sitzt vor dem Gasherd auf einem Stuhl, leblos und bleich, den Rumpf nach vorn gebeugt und den Kopf auf dem Brenner liegend.
    „Der hat sich umgebracht“, denkt der Rentner und zieht sich schleunigst zurück. Die beiden Nachbarinnen, die sich ihm zuvor am liebsten angeschlossen hätten, weil fremde Wohnungen immer interessant sind, hatte die Gaswolke zurückgehalten. Doch als Zeidler berichtet, was in der Wohnung vorgefallen sein muß, sind sie froh, daß ihnen der Anblick des toten Mannes erspart bleibt.
    Bald darauf rücken zwei grünuniformierte Gesetzeshüter an. Sie bitten Zeidler und die beiden Nachbarinnen, sich für eine Befragung durch die Kripo bereitzuhalten. Dann postieren sie sich vor der Wohnung.
    Eine halbe Stunde später trifft der Leichensachbearbeiter der Kriminalpolizei, Leutnant Hartloff, ein. Aus einer Jacke, die an der Garderobe hängt, fischt er den Personalausweis auf den Namen Joachim Waller, geboren am 12. März 1949, und einen Taschenkalender des Mannes mit diversen Anschriften, darunter die seiner Mutter in Delitzsch. So sehr er sich in der kleinen Wohnung auch umschaut, einen Abschiedsbrief findet er nicht. An der Selbsttötung des Mannes zweifelt er deshalb keineswegs.
    Dafür gibt es wichtige Indizien: Zum einen stellte die Feuerwehr fest, daß die Wohnung verschlossen war und der Korridorschlüssel von innen noch im Schloß steckte. Zum anderen traf Joachim Waller bestimmte Vorkehrungen, die darauf hindeuten, daß sich das Gas möglichst nur in der Küche ausbreiten und die Gefährdung anderer gering gehalten werden sollte. Die Tür und sämtliche Fensterritzen der Küche waren ursprünglich sorgfältig mit Papierstreifen zugeklebt, bevor die Feuerwehrmänner für gutes Durchlüften sorgten. Hartloff

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