Ekel / Leichensache Kollbeck
Todesursache:
Kohlenmonoxidvergiftung
4. Es handelt sich um einen nichtnatürlichen Tod
.
5. Wie die Obduzenten dem Ereignisortbefundsbericht entnehmen können, wurde der Betroffene am 27.05.1980 gegen 10.45 Uhr durch Angehörige der Feuerwehr vollständig bekleidet, leblos auf einem Stuhl sitzend vor der gasbetriebenen Kochstelle, mit dem Kopf auf dem Brenner liegend, in der Küche seiner Wohnung vorgefunden. Fenster- und Türritzen der Küche seien mit Papierstreifen abgedichtet worden
.
6. Im Ergebnis der Leichenöffnung und der quantitativen Kohlenmonoxid-Hämoglobinbestimmung wurde eine Kohlenmonoxidvergiftung festgestellt, die den Todeseintritt vollkommen erklärt
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Vorbestehende natürliche krankhafte Veränderungen der inneren Organe wurden nicht gefunden. Zwischen Kohlenmonoxidvergiftung und Todeseintritt besteht ein direkter Zusammenhang
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Die pfennigstückgroße Stirnhautschürfung links war nicht unterblutet, auch fanden sich keine Verletzungen der Schädelknochen oder des Schädelinhalts
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7. Für feingewebliche Untersuchungen wurde Organmaterial asserviert
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8. Die Obduzenten behalten sich ein endgültiges Gutachten vor
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Hartloff telefoniert mit dem Kaderleiter des Kombinats der Sonderheime. Er erfährt, daß Joachim Waller seit seinem Studienabschluß am Institut für Lehrerbildung in Bernburg als Betreuer in einem Kinderheim für verhaltensgestörte Kinder in Borgsdorf, im Norden Berlins, gearbeitet hat. Anfang des Jahres 1978 beantragte er bei den Behörden seine Ausbürgerung in die BRD: Er wolle seiner Freundin nach Aachen folgen, die im Sommer 1977 mit ihren Eltern legal nach Westdeutschland übersiedelt sei. Sie habe inzwischen ein Kind von ihm.
Für eine pädagogische Tätigkeit deshalb untragbar, habe man Waller fristlos gekündigt. Die staatlichen Organe wiesen ihm daraufhin eine Stelle als Zeitungsausträger beim Postzeitungsvertrieb zu.
Und während Hartloff aus dieser Mitteilung ein förmliches Protokoll produziert, erreicht ihn bereits das erwartete Ferngespräch aus Delitzsch: Das dortige VPKA meldet, die Mutter Joachim Wallers sei vom Tod ihres Sohnes in Kenntnis gesetzt worden und würde unverzüglich nach Berlin reisen, um bereits morgen früh bei ihm zu erscheinen.
Hartloff ist zufrieden, denn das Gespräch mit der Mutter verspricht eine Aufhellung der Hintergründe für die Selbsttötung.
Am Tag darauf erscheint eine attraktive Mittfünzigerin in Schwarz bei Leutnant Hartloff: Es ist Frau Waller, die Mutter des Selbstmörders. Ihr Gesicht verrät Trauer und Fassungslosigkeit. Zunächst will sie wissen, wie ihr Sohn gestorben ist, weil die Delitzscher Polizei sie darüber nur unzureichend informiert habe. Hartloff schildert ohne Umschweife, warum die Mieter im Haus die Feuerwehr alarmiert haben und wie sich Joachim Waller mit Leuchtgas vergiftete. Schweigend nimmt die Mutter den Bericht entgegen.
„Können Sie seine Entscheidung respektieren?“ fragt der Kriminalist Frau Waller schließlich.
„Ich muß es ja wohl. Trotzdem: Es fällt mir schwer“, klagt sie. Hartloff übergibt ihr die Wohnungsschlüssel: „Ich hatte alle Fenster offen gelassen. So müßte der Gasgeruch jetzt raus sein. Sie können das Polizeisiegel selbst entfernen!“
Das weitere Gespräch leitet er mit Fragen zur Biographie Joachim Wallers ein. Die Mutter schildert die Entwicklung ihres Sohnes: Kindheit, Schulzeit, Studium, die Begeisterung, mit der er die Tätigkeit im Kinderheim Borgsdorf antrat. Doch sie erwähnt auch, daß er sich im Alter von 20 Jahren aus enttäuschter Liebe schon einmal das Leben nehmen wollte. Tabletten habe er geschluckt, wenn auch nicht soviel, um daran sterben zu können. Seine Absicht wäre, wie er danach sagte, bitterernst gewesen. Später war er froh, daß der Versuch mißlang.
Seit 1975 war Joachim mit Marina Schwertfeger aus Berlin, einer vier Jahre jüngeren Uhrmacherin, die im Geschäft ihrer Eltern arbeitete und auch bei ihnen wohnte, befreundet. Eine innige Zuneigung verband die beiden.
Leider ist Marina mit ihren Eltern im Sommer 1977 legal nach Westdeutschland verzogen. Das hatte Joachim niedergeschmettert. Wochenlang war er nicht ansprechbar. Und als Marina ihm im Herbst des gleichen Jahres mitteilte, daß sie von ihm schwanger sei, stellte er sofort einen Ausreiseantrag.
Die Leute auf der Behörde haben ihm jedoch gleich gesagt, daß die Bearbeitung länger dauern würde. Dafür hatte man ihn zwei Wochen später aus dem Kinderheim geschmissen: Als
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