Ekel / Leichensache Kollbeck
Kreisstadt Hagenow mit, daß ihr 45jähriger Ehemann Paul Latz, LPG-Vorsitzender in Lübbendorf, seit dem 20. Januar nicht mehr nach Hause zurückgekehrt sei. Ihr war bekannt, daß er gelegentlich außereheliche Abenteuer suchte. Das wußten aber auch seine biederen Genossen. Sie waren darüber verärgert und fanden es unverzeihlich, daß er als SED-Mitglied gegen die sozialistische Moral verstieß. Ohne Pardon eröffneten sie ein Parteiverfahren gegen ihn. Um den Konsequenzen zu entgehen, ist er nun vermutlich republikflüchtig geworden, zumal eine seiner Geliebten seit einiger Zeit ebenfalls in Westdeutschland leben soll.
Die Vertreter der Sicherheitsorgane, die sich beruflich mit den Abtrünnigen des Arbeiter- und Bauernstaates zu beschäftigen hatten, stürzten sich voller Kampfgeist an die vorderste Front des Falls. Wegen des Verdachts des illegalen Grenzübertritts wurde ein Ermittlungsverfahren gegen Paul Latz eingeleitet. Man fand auch bald heraus, daß der Genosse Paul Latz tatsächlich anderen gegenüber geäußert hatte, die Republik illegal zu verlassen, sowie sich eine Gelegenheit dazu bieten sollte. Überdies wurde in Erfahrung gebracht, daß er von seiner Geliebten angeblich eine Ablösesumme von 4 700 Mark erhalten haben soll, damit er sich leichter aus den ehelichen Fesseln befreien konnte.
Natürlich wurde die Wohnung peinlich genau durchsucht, um Hinweise auf die Art und Weise der Republikflucht und den jetzigen Aufenthaltsort zu erlangen. Doch diese Maßnahme förderte nichts Relevantes zutage. Auch die folgenden Ermittlungen führten ins Leere, so daß das Verfahren nach einiger Zeit eingestellt wurde.
Doch in Lübbendorf kursierte das hartnäckige Gerücht, Paul Latz sei von seiner Gattin ermordet worden. Dazu trug vor allem die einstige Geliebte bei, die in Wirklichkeit niemals den Boden des sozialistischen Vaterlandes verlassen hatte und die immer noch ganz in der Nähe wohnte. Ihr Verdacht fußte auf der logischen Schlußfolgerung, daß Paul Latz – sollte er seinerzeit wirklich in den Westen abgehauen sein – ihr wenigstens mal geschrieben hätte, da immer eine ungetrübte Beziehung zwischen beiden bestand.
Auch dem Bruder von Frau Latz, der freundschaftlich mit dem Verschwundenen verbunden war, kam die ganze Angelegenheit höchst merkwürdig vor, und er schloß sich den Verdächtigungen an.
Endlich, im April 1969, übernahm die MUK Schwerin den Fall und beantragte wegen des Verdachts der vorsätzlichen Tötung die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und Haftbefehl gegen Frau Latz.
Doch der Staatsanwalt wies dieses Anliegen schroff zurück, weil er den Verdacht gegen Frau Latz für eine unbegründete, unhaltbare Hypothese hielt und bereits die Vorermittlungen in dieser Hinsicht nicht den geringsten Hinweis erbracht hätten.
Darüber waren die Kriminalisten der MUK Schwerin sauer, weil sie wußten, daß verschleierte Tötungsdelikte mitunter ein derart vages Erscheinungsbild besitzen.
Das war der Grund für die miese Stimmung zwischen MUK und Staatsanwalt, aber für Oberleutnant Dietmar Lorenz der Anlaß zur Mitarbeit an diesem vertrackten Fall.
Lorenz weiß, daß bei der derzeitigen Sachlage die Begründung des Verdachts, Frau Latz habe ihren Gatten ermordet, nicht so ohne weiteres möglich ist. Es fehlt in der Tat an Beweisen. Die einzige Möglichkeit, an sie zu gelangen, sieht er in der Anwendung einer List.
Er weiß, daß diese allerdings den Handlungsspielraum der Strafprozeßordnung nicht verlassen darf.
Zunächst spricht er mit dem Bruder von Frau Latz, um die Gründe auszuleuchten, warum dieser gegen seine Schwester einen solch schwerwiegenden Verdacht hegt.
Freimütig, wenn auch nur mit Lorenz’ ausdrücklicher Zusicherung, die Angaben vertraulich zu behandeln, gibt der Bruder ein umfassendes Psychogramm über sie, ihren Gatten und die Ehe ab.
Als Lorenz schließlich erfährt, der Bruder habe auch die Schlüsselgewalt über das Haus seiner Schwester, er könne dort ein- und ausgehen, macht er ihn zum Mitwisser seines taktischen Plans. Der Bruder erklärt sich bereit, im Rahmen seiner Möglichkeiten an der Verwirklichung dieses Vorhabens mitzuwirken.
Zunächst läßt sich Oberleutnant Lorenz eine detaillierte Skizze über die Wohn- und Kellerräume im Haus des Ehepaars Latz, den Schuppen und den Stall anfertigen. Dann bittet er ihn zu rekonstruieren, welche Möbel vor fünf Jahren vorhanden waren und wo sich ihr Standort befand. Das Resultat dieser mühseligen
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