El Chapo - Beith, M: Chapo - The Last Narco
Mengen Bargeld. Bald hatten Chapo und seine Kompagnons ein System entwickelt, bei dem das Gefängnispersonal immer neue Gefolgsleute rekrutierte. »Ich stelle Ihnen jemand Neues vor, der für uns arbeiten wird«, verkündete einer der Wärter und präsentierte einen neuen Kandidaten. Chapos Sekretäre, ebenfalls Häftlinge, notierten pflichtschuldig Name und Beruf.
Obwohl Chapos Männer über jeden Einzelnen penibel Buch führten und einen genauen Überblick über dessen Fähigkeiten besaßen, wurden spezielle Jobs nicht immer an die vergeben,
die auf der Gehaltsliste standen. Manche wurden pro Job bezahlt, andere erhielten jeden Monat einen Betrag. Einer von Chapos Prätorianern notierte eine codierte Nachricht auf eine Serviette, die man dem Betreffenden in die Hand drückte. Etwa »Ich habe eine Lieferung für den Schuldirektor«, was bedeutete, dass der Wärter seinen Lohn an einem vorher verabredeten Ort in Guadalajara abholen konnte.
Dahinter stand die Idee, das gesamte Gefängnispersonal nach Chapos Pfeife tanzen zu lassen. Chapo wollte in Puente Grande schalten und walten, als ginge es um seine Firma, und dabei ließ er sich durch nichts aufhalten. Er würde hier seine Zeit absitzen, bis es an der Zeit wäre, sich zu verabschieden.
Und wie er seine Zeit absaß. Zuerst, so erinnern sich die Wärter, waren seine Forderungen bescheiden, es handelte sich fast schon um Bitten. Chapo und seine Männer baten um eine besondere Zutat zum Essen – ob die Köche das wohl hinkriegen würden? Eine Freundin kam zu Besuch – wäre es wohl möglich, ein bisschen länger mit ihr ungestört zu sein?
Doch langsam, aber sicher verwandelte sich Puente Grande in Chapos persönliche Spielwiese. Bald waren Partys in seinem Zellenblock, in dem auch sein engster Vertrauter Héctor Luis Palma Salazar, alias »El Güero« (»der Blonde«), untergebracht war, an der Tagesordnung. Und es dauerte auch nicht lange, da konnten sie sich innerhalb von Puente Grande, das auch als Cefereso No. 2 bezeichnet wurde, völlig frei bewegen. Sie genossen hereingeschmuggelten Alkohol, Kokain und Marihuana, von den unkontrollierten Besuchen ihrer Frauen und Freundinnen ganz zu schweigen. 25
Chapo selbst hatte eine Schwäche für Whiskey und Cuba Libre. Er und seine Leute ließen sich nach Herzenslust bekochen – das Küchenpersonal stand schließlich auf ihrer Gehaltsliste – und ignorierten nach Belieben die ansonsten geltenden Regeln des Hochsicherheitsgefängnisses.
Insbesondere zwei Köche, Oswaldo Benjamín Gómez Contreras und Ofelia Contreras González, waren laut dem Büro des mexikanischen Generalstaatsanwalts (PGR) für die Festmahle zuständig, nach denen Chapo immer häufiger verlangte. Die Köche wurden später wegen Drogendelikten angeklagt, in die sie sich während ihrer »Dienstzeit« unter Chapos Kommando hatten verwickeln lassen. 26
Mindestens einmal wurde auch eine Mariachi-Band ins Gefängnis gebracht, um vor Chapo und seinen Mithäftlingen aufzutreten. Ein Wärter erinnerte sich nach Chapos Flucht, dass einmal für eine Weihnachtsfeier fünfhundert Liter Wein herbeigeschafft wurden. Darüber hinaus gab es Hummersuppe, Filet Mignon und ausgesuchte Käsesorten. Schließlich feierten sie mit Whiskey-Soda bis zum Morgengrauen. 27
Manchmal veranstalteten sie auch regelrechte Wettbewerbe. Chapo liebte es, gegen einen Mithäftling – einen ehemaligen Angehörigen der Präsidentengarde, der sich der Korruption anheimgegeben hatte – Schach zu spielen. Außerdem spielte er Basket- und Volleyball. Ein anderer Mitinsasse wusste zu berichten, dass Chapo »in allen Sportarten ziemlich gut war«. Für einen Mann Anfang vierzig befand er sich zudem in ausgezeichneter körperlicher Verfassung und verfügte über eine »erstaunliche Willenskraft«.
Chapo besaß aber auch eine lockere Seite. Manchmal tauchten Musikgruppen im Gefängnis auf, die sinaloensische Bandas spielten, und Chapo, der nebenbei auch noch ein leidenschaftlicher Tänzer war, geriet völlig aus dem Häuschen. Wenn ihm danach war, ließ er den Speisesaal in ein Kino umfunktionieren. Dann saßen er und andere Insassen bei Popcorn, Eiscreme und Schokolade zusammen und schauten sich einen Film nach dem anderen an. Dabei zeigte sich Chapo gelegentlich auch von seiner sentimentalen Seite. Ein Mithäftling verriet: »Wir haben zusammen ›Cinderella‹ gesehen. Stellen Sie sich das mal vor.« 28
Allmählich drangen die Gerüchte über rauschende Partys und andere
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