El Chapo - Beith, M: Chapo - The Last Narco
aufhielt, konnte sie ihren Ehemann aus Sicherheitsgründen nur selten über ihren Aufenthaltsort informieren. Manchmal sahen sie sich nur an den Wochenenden. Als Amado Carrillo Fuentes nach seiner misslungenen Schönheitsoperation für tot erklärt wurde, begegnete sie Antonio im Leichenschauhaus. »Er war zufällig auch dort«, erinnert sie sich mit einem Lächeln. Selbst als sie sich beide für eine Weiterbildung bei DEA und FBI qualifizierten, konnten sie die Reise nach Quantico, Virginia, nicht gemeinsam antreten. Erica fuhr als Erste, nach ihrer Rückkehr war dann Antonio an der Reihe.
Schließlich brachte ihre Arbeit sie doch noch zusammen. Sie wurden beide nach San Diego entsandt, um dort an einem Gemeinschaftsprojekt zu arbeiten, welches das Ziel hatte, Strategien für die Säuberung des Polizeiapparats zu entwickeln. Ihr erstes Kind wurde in den USA geboren. Endlich erlebten sie die Flitterwochen, nach denen sie sich so lange gesehnt hatten.
Als sie wieder nach Mexiko zurückkehrten, begann der eigentliche, harte Teil der Arbeit. Das Land hatte soeben die Einparteienherrschaft hinter sich gelassen, Antikorruptionsmaßnahmen standen hoch im Kurs. Und der Krieg der Kartelle war kurz vor dem Ausbruch. Während Erica ihr zweites Kind erwartete, wurde Antonio mit der Aufsicht über eine Bundesbehörde betraut. Allerdings konnte er den Korruptionsschmutz an seinem neuen Arbeitsplatz und den Druck, die Dinge so zu belassen, wie sie waren, nicht ertragen. Unzählige Male hatte man versucht, ihn zu bestechen, jedes Mal hatte er abgelehnt. Nach acht Monaten bat er um seine Versetzung. »Sonst werde ich hier tatsächlich noch korrupt«, erklärte er seiner Frau.
Sie landeten beide bei der AFI, und zum ersten Mal arbeiteten sie tatsächlich zusammen und konzipierten die Trainings- und Ethikhandbücher der Behörde. Mexikanische Polizeihandbücher
zu überarbeiten, mag wie ein langweiliger Schreibtischjob klingen, doch das ist ganz und gar nicht der Fall. Dem mexikanischen Polizeiapparat mangelt es an einigen grundlegenden Dingen, die eine ordentliche Behörde auszeichnen. Vor Calderóns Amtsantritt existierte nicht einmal eine landesweite Erfassung aller Polizeibeamten. Wenn ein korrupter Cop in Veracruz verhaftet und gefeuert wurde, konnte er nach seiner Entlassung problemlos in Ciudad Juárez wieder anfangen, da es keine Möglichkeit gab, seinen Werdegang zu verfolgen. Ethische Regeln aufzustellen und Handbücher zu verfassen, hatte deshalb hohe Priorität.
Bei der AFI spürten Erica und Antonio auch erstmals die Macht der Kartelle, die Institutionen zu unterwandern. Antonio, der zeitweise für die Versetzung von Agenten in die verschiedenen Landesteile zuständig war, sah sich nicht selten mit Untergebenen konfrontiert, die einer Anordnung widersprachen. Diese Männer hatten ihre Plazas, wie die lokalen Büros ebenso wie die Schmuggelkorridore genannt werden, zumeist dank der üppigen Bestechungsgelder der lokalen Narcos in eine sprudelnde Quelle des Wohlstands verwandelt. Solche Agenten boten Antonio Geld an, um auf ihren Posten bleiben zu dürfen. Er lehnte ab. Sein Vorgänger war wegen Korruption gefeuert worden, ihm sollte das nicht passieren.
Kurz danach entzogen ihm seine unmittelbaren Vorgesetzten diese Aufgabe. Aber der ehrliche Cop gab nicht auf. Er initiierte ein neues System, dem sich seine Chefs nicht verweigern konnten, ohne an höherer Stelle Verdacht zu erregen. Die Versetzungen wurden künftig per Zufallsgenerator durch ein Computersystem ermittelt. »So können wir der Korruption Herr werden«, sagte er zu seiner Frau.
Das Modell schien zu funktionieren, und Antonio kletterte auf der Karriereleiter nach oben. Sowohl er als auch seine Frau Erica galten nun als Elite-Cops, die eng mit internationalen Behörden wie der DEA kooperierten. Allerdings wussten nur
einige wenige privilegierte Kollegen von der engen Zusammenarbeit mit den US-Amerikanern – immerhin konnte eine undichte Stelle sie nach wie vor das Leben kosten. Zudem wechselten sie innerhalb der AFI regelmäßig ihre Posten und achteten darauf, die Gesetze der Vetternwirtschaft nicht zu verletzen. In einem Land wie Mexiko ist der Aufstieg über familiäre Beziehungen oft die einzige Möglichkeit, nach oben zu kommen.
Antonio leitete Ermittlungen gegen die Top-Narcos des Landes ein. »Der Unbestechliche«, wie Erica ihn nannte, wusste, dass er vor der größten Herausforderung seiner Karriere stand. »Als er zum Direktor ernannt wurde,
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