El Chapo - Beith, M: Chapo - The Last Narco
Kartells ernst meinten. Deshalb präsentierte Chapo ihnen El Mochomo auf dem Silbertablett. Zwar gibt es keinerlei Beweise für den Verrat, aber in Sinaloa wird ganz offen darüber gesprochen. 265 Zudem kursierten Spekulationen, Chapo habe El Mochomo im Austausch für seinen inhaftierten Sohn Iván Archivaldo ausgeliefert. Doch auch diese Vermutung wurde nie bestätigt.
Am 21. Januar 2008 kreiste eine Gruppe von Soldaten in Culiacán einen BMW X3 ein und zwang ihn, am Straßenrand anzuhalten. Die Aktion beruhte auf Informationen, die General Sandovals Spitzenleute zusammengetragen hatten. Wie erwartet befand sich im Innern des Wagens El Mochomo – zudem elf State-of-the-Art-Armbanduhren, ein AK-47, neun Handfeuerwaffen und 900 000 Dollar in bar.
Die Regierung feierte die Verhaftung El Mochomos als weiteren Schlag gegen das organisierte Verbrechen. Wie die meisten anderen festgenommenen Capos vor ihm wurde er umgehend unter großem Medienaufsehen in Begleitung von Militärfahrzeugen, Helikoptern und maskierten Soldaten nach Mexiko-Stadt verlegt.
Für General Sandoval allerdings erwies sich die Festnahme als Pyrrhussieg. Er musste nämlich feststellen, dass die Beltrán-Leyva-Brüder längst auch den 9. Militärdistrikt unterwandert hatten. Vier seiner Männer wurden festgenommen und zum Verhör in ein Militärgefängnis überstellt. 266
Das Verhältnis zwischen Chapo und den Beltrán-Leyva-Brüdern würde nie mehr so sein wie zuvor.
Geistesverwandte
Für Chapo hatte die Familie stets Vorrang. Obwohl ihn seine schwierige Kindheit in La Tuna noch immer verfolgte, besaß er ein enges Verhältnis zu seiner Mutter. Selbst als er nach seinem Ausbruch aus Puente Grande auf der Flucht war, nahm er das Risiko auf sich, sie so oft wie möglich zu besuchen. In der Nähe der Hütte, in der er aufgewachsen war, baute er ihr eine luxuriöse Ranch und stellte ihr sogar ein Flugzeug zur Verfügung. María Consuelo Lorea Pérez mangelte es an nichts.
Auch seine Brüder standen ihm sehr nahe. In Sinaloa war der Drogenschmuggel immer schon ein Familiengeschäft gewesen, und Chapos Organisation bildete keine Ausnahme. Arturo, Miguel Ángel, Emilio und Aureliano nahmen im Sinaloa-Kartell Spitzenpositionen ein. Laut PGR waren sie für Logistik, Geldwäsche und die Schmuggelaktivitäten zuständig und mussten sich nicht wie ihr Bruder durch Morde und schmutzige Jobs nach oben kämpfen.
Dann waren da noch Chapos Ehefrauen. Obwohl seine Ehen geschieden worden waren, so war dies stets auf freundschaftliche Weise geschehen. Im Gefängnis hatte er – obwohl er damals Beziehungen zu Zulema Hernández und anderen unterhielt – regelmäßig seine damalige Frau, Laura Álvarez Beltrán, zu intimen Rendezvous getroffen. Kurz nachdem er
aus Puente Grande entkommen war, hatte ihm vermutlich seine zweite Frau und Edgars Mutter, Griselda López Pérez, zur weiteren Flucht verholfen. Sie besuchte auch regelmäßig ein Haus im Guadalupe-Viertel von Culiacán, wo die PGR später Dokumente fand, die El Mayo an Chapo übergeben hatte, um ihn über die Schritte der Behörden auf dem Laufenden zu halten.
Chapos Ehefrauen, die in Häusern und auf Ranches lebten, die er ihnen eingerichtet hatte, waren stets Teil seines Lebens; daran hat sich bis heute nichts geändert. Der Psychologe, der Chapo während dessen Gefängniszeit betreut hatte, berichtete, der Drogenboss habe, was Frauen und Kinder anging, ein hohes Maß an Verantwortungsgefühl gezeigt. Einigen Zeugen zufolge, die über seine Geschäfte ausgesagt haben, hat er seine Frauen sogar als Unterhändler losgeschickt, um Verhandlungen mit Konkurrenten zu führen oder sicherzustellen, dass seine Allianzen funktionierten.
Zum Zeitpunkt seines Todes studierte Edgar Business Administration an der Universidad Autónoma in Sinaloa und lebte mit einer Frau namens Frida Muñoz Román in einer eheähnlichen Beziehung. Die beiden hatten ein gemeinsames Kind, Chapos Enkelin Frida Sofía Guzmán Muñoz. 267
Edgar zählte zu einer neuen Generation von Drogenhändlern, die man in Mexiko als Narco-Juniors bezeichnet. Seit Anfang der Siebziger hatten die Töchter und Söhne der Drogenbarone eine andere Richtung eingeschlagen. Sie traten nicht mehr wie in den Jahrzehnten davor einfach in die Fußstapfen ihrer Väter, sondern besuchten zunehmend Eliteuniversitäten – oftmals sogar im Ausland –, um das Geschäft besser zu verstehen. Solange sie noch keine dreißig waren, waren sie praktisch so gut wie nie in
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