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El Silbador

El Silbador

Titel: El Silbador Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Guben
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ungewohnten und unbequemen Haltung. Der Kapitän stand ein wenig unruhig zwischen ihnen.
    »Ihr könnt an Deck gehen, Kapitän«, wandte sich die Korsarin an ihn. »Ihr werdet oben gehenkt.
    Die Weiber werde ich hier an Ort und Stelle erstechen.«
    Der Kapitän ging und ließ seine Passagiere schweren Herzens allein.
    Die Damen waren leichenblaß geworden. Eine von ihnen sank plötzlich auf die Knie und flehte:
    »Bitte, laßt uns unser Leben, Madam! Nehmt allen Schmuck, den Ihr findet, aber schont uns.«
    »Wie heißt Ihr?« fragte Marina die Kniende grob.
    »Nataly Esther Wallbrook.«
    Die Gräfin lächelte zynisch.
    »Wie alt seid Ihr, Nataly?«
    »Vierzig, Euer Gnaden. Ich bin eine alte Frau, wie Ihr seht. Laßt mich eines natürlichen Todes sterben.«
    »Habt Ihr einen Mann?« Das ältliche Fräulein errötete.
    »Noch nicht«, hauchte sie, »aber wenn ich heil zurückkomme, werde ich heiraten. Ich bin verlobt, müßt Ihr wissen.«
    »Mein Gott«, lachte Marina, »Euer Verlobter muß einen Geschmack haben, der abscheulich ist. Ihr seid häßlicher als mein häßlichster Pirat.«
    Eine solche Schmähung konnte eine Frau selbst in der bedrohlichsten Lage nicht über sich ergehen lassen. Nataly Esther Wallbrook fuhr aus ihrer knienden Stellung auf. Sie war hochrot im Gesicht.
    »Du bist frech, Seeräuberweib! Ich werde dir die roten Haare einzeln ausreißen, du Bestie!«
    Sie stürzte sich auf die Gräfin. Ihre Augen funkelten vor Wut.
    Marina freute sich: endlich einmal etwas anderes.
    Sie hob ihren Degen und setzte ihn der Erschrockenen auf die Brust.
    »Höre, du Verrückte!« sagte sie kalt. »Wenn du so weiter tobst, dann schneide ich dein Kleid entzwei — das Kleid ist übrigens das Schönste an dir — ich werde dir das Mieder durchritzen bis auf die Haut, um meinen Piraten vorzuführen, wie häßlich Frauen sein können!« Die Geschmähte schrie in ohnmächtiger Wut auf. Marina fuhr fort.
    »Du kannst dich aber loskaufen. Gib mir deinen Schmuck und alles Geld, das du bei dir hast. Dann kann ich meinen Leuten den widerwärtigen Anblick ersparen.«
    Marina senkte den Degen und ging schrittweise gegen das verlobte Fräulein vor.
    »Los, gib her, was ich verlangte!« zischte sie plötzlich.
    Nataly hatte doch nicht so starke Nerven, um diesem Befehl zu widerstehen.
    Hastig rannte sie zu ihrem Koffer, riß ihn auf und wühlte in den Kleidungsstücken herum, bis sie tief am Boden eine Kassette gefunden hatte. Sie nahm einen Schlüssel, um das eiserne Ungetüm zu öffnen. Aber da war Marina mit zwei Schritten neben ihr, riß ihr die Kassette ungeöffnet aus der Hand, nahm auch den Schlüssel an sich und verließ lachend wieder die Kabine.
    Die beiden anderen Amerikanerinnen atmeten auf. Nataly Esther aber tobte in ohnmächtiger Wut.
    Als Marina ihre eigene Kabine betreten hatte, stellte sie die erbeutete Kassette vor Hawbury auf den Tisch.
    »Hier, Freund, die Mitgift Eurer Verlobten, öffnet. Bin selbst gespannt, was ich da gebracht habe.«
    Steve steckte zögernd den Schlüssel ins Loch und drehte ihn um.Sie waren beide überrascht. Das war weit mehr, als man in den kühnsten Träumen erwartet hätte.
    Da lagen Anteilscheine an einem kleinen Eisenwerk aus einem der dreizehn Staaten, die jetzt um ihre Unabhängigkeit kämpften. Das Unternehmen hatte sicher eine Zukunft. Gold und Silber war nicht viel darin. Aber Diamanten, einer wertvoller und schöner als der andere. »Da habe ich Euch ein kleines Vermögen erobert, Mr. Hawbury. Wie kann so eine alte Hexe so viel Geld besitzen?«
    »Well«, sagte Steve verlegen, »ich bin kein Dieb, Mylady; ich möchte nichts von diesen Dingen. Nein, ich bin schon froh, wenn Ihr mich nicht wieder mit Nataly auf ein Schiff zusammensperrt.« Marina betrachtete ihn nachdenklich, schloß die Kassette und stellte sie in ihr eigenes Fach. Sie kannte keine Skrupel.
    »Hm«, meinte sie, »einen Piraten werde ich schwerlich aus Euch machen können. Nun, wenn Ihr wollt, könnt Ihr auf meinem Schiff bleiben, bis wir in die Nähe irgendeines europäischen Hafens kommen. Dort werde ich Euch absetzen. Das kann zwar noch eine Weile dauern. Aber inzwischen könnt Ihr Eure Weiterfahrt als Sommerreise betrachten.«
    Steve bedankte sich bei Marina. Es bedrückte ihn zwar, daß er vielleicht monatelang auf einem Piratenschiff zu Gast sein sollte; aber es hätte ihn mehr bedrückt, der Ehemann jener flachbusigen, ältlichen Nataly Esther Wallbrook zu werden.
    Ohne daß man ein Klopfen gehört

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