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Elantris

Elantris

Titel: Elantris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brandon Sanderson
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versuchten, es ihnen trotz der Umstände so gemütlich wie möglich zu machen. Es war nicht viel - und niemand hielt es aus, viel Zeit bei den Hoed zu verbringen -, aber Raoden war überzeugt, dass es half. Dementsprechend stattete er dem Saal der Gefallenen mindestens einmal am Tag einen Besuch ab. Er hatte den Eindruck, dass sich der Zustand der Hoed besserte. Die Hoed stöhnten immer noch, murmelten und starrten ins Leere, aber die Lauteren unter ihnen schienen inzwischen ein wenig leiser zu sein. Der Saal war nicht länger ein Ort angstvoller Schreie und Echos, sondern ein Reich leisen Gemurmels und gedämpfter Verzweiflung.
Raoden bewegte sich feierlich inmitten der Hoed und half, einen der gefallenen Barbaren zu tragen. Es galt nur vier von ihnen unterzubringen, da er angeordnet hatte, den fünften Mann, den Saolin geköpft hatte, zu beerdigen. Soweit sich dies sagen ließ, starb ein Elantrier, wenn man ihm den Kopf vollständig abschlug - zumindest bewegten sich die Augen nicht mehr, und auch die Lippen formten keine Worte mehr, sobald man den Kopf ganz vom Körper abgetrennt hatte.
Während Raoden durch die Reihen der Hoed schritt, lauschte er auf ihr leises Gemurmel.
»Schön, einst so wunderschön ...«
»Leben, Leben, Leben, Leben, Leben ...«
»Oh Domi, wo bist du? Wann ist es endlich zu Ende? Oh Domi ...«
Normalerweise durfte Raoden nach einer Weile nicht mehr auf die Worte achten, wenn er nicht den Verstand verlieren wollte - oder noch schlimmer, wenn er nicht wollte, dass sie die Schmerzen in seinem eigenen Körper wachriefen. Ien war auch dort und schwebte zwischen blinden Köpfen umher und schlängelte sich zwischen gefallenen Körpern hindurch. Das Seon verbrachte viel Zeit in dem Raum. Auf merkwürdige Weise passte es gut dorthin.
Gedrückt verließ die Gruppe den Saal. Jeder hing schweigsam seinen eigenen Gedanken nach. Raoden sagte erst etwas, als er den Riss in Saolins Kleidung bemerkte.
»Ihr seid verletzt!«, rief Raoden überrascht.
»Es ist nichts, Mylord«, erwiderte Saolin abwehrend.
»Solche Bescheidenheit ist draußen angebracht, Saolin, aber nicht hier. Ihr müsst meine Entschuldigung annehmen.«
»Mylord«, sagte Saolin ernst. »Als Elantrier bin ich nur noch stolzer, diese Verletzung davongetragen zu haben. Ich habe sie mir bei der Verteidigung unserer Leute zugezogen.«
Raoden warf einen gequälten Blick zurück in Richtung des Saales. »Sie bringt Euch bloß einen Schritt näher an ...«
»Nein, Mylord, das glaube ich nicht. Diese Menschen haben sich ihren Schmerzen ergeben, weil sie keinen Sinn sahen. Ihre Qualen waren bedeutungslos. Und wenn man keinen Sinn im Leben sieht, neigt man dazu aufzugeben. Diese Verletzung wird wehtun, aber jeder Stich wird mir ins Gedächtnis rufen, dass ich sie mir ehrenvoll zugezogen habe. Meiner Meinung nach ist das nicht so schlecht.«
Raoden blickte den alten Soldaten respektvoll an. Draußen hätte der Mann wahrscheinlich kurz davor gestanden, aus dem Dienst auszuscheiden. In Elantris, wo die Shaod alle ungefähr gleich alt aussehen ließ, unterschied er sich nicht von den anderen. Das Alter eines Mannes ließ sich nicht am Aussehen ablesen, aber vielleicht an der Weisheit.
»Aus Euren Worten spricht Scharfsicht, mein Freund«, sagte Raoden. »Ich nehme Euer Opfer demütig an.«
Ihr Gespräch wurde unterbrochen, als auf dem Kopfsteinpflaster Schritte erklangen. Einen Augenblick später stürzte Karata in ihr Blickfeld. Ihre Füße waren voller Dreck von außerhalb des Bereiches um die Kapelle. Kahar würde wütend sein, denn sie hatte vergessen, ihre Füße abzuwischen, und verteilte nun schleimigen Schmutz auf seinem sauberen Kopfsteinpflaster.
Doch im Moment schien der Schmutz Karata nicht im Geringsten zu kümmern. Sie ließ rasch den Blick über die Gruppe schweifen, um sicherzugehen, dass niemand fehlte. »Ich habe gehört, dass Shaor angegriffen hat. Hat es Opfer gegeben?«
»Fünf. Alle auf ihrer Seite«, sagte Raoden.
»Ich hätte hier sein sollen«, meinte sie und stieß einen Fluch aus. Im Laufe der letzten Tage hatte die entschlossene
Frau den Umzug ihrer Leute in das Kapellenviertel beaufsichtigt. Sie hatte eingesehen, dass eine zentrale, vereinte Gruppe mehr bewirken konnte und dass das Kapellenviertel sauberer war. Merkwürdigerweise war ihr selbst nie der Gedanke gekommen, den Palast zu reinigen. Die meisten Elantrier sahen den Schmutz als unumstößliche Realität an.
»Ihr habt wichtige Dinge zu tun«, sagte Raoden. »Außerdem

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