Elantris
durcheinander, dass sie es sogar unterließ, ihren Onkel zu schelten, obwohl er gegen ihren ausdrücklichen Willen ein Mahl zubereitet hatte. Sie warf Kaloo einen vielsagenden Blick zu und verließ dann den Raum, scheinbar in
Richtung Toilette. Nachdem sie einen Augenblick in Kiins Arbeitszimmer abgewartet hatte, schlenderte endlich der glücklose Hochstapler um die Ecke.
Sarene packte ihn am Hemd und warf ihn beinahe gegen die Wand, als sie ihr Gesicht gegen das seine drückte.
»Lebensgeist?«, wollte sie wissen. »Was im Namen des gnädigen Domi machst du hier?«
Besorgt blickte Lebensgeist zur Seite. »Nicht so laut, Sarene! Wie würden diese Männer deiner Meinung nach wohl reagieren, wenn sie herausfänden, dass sie mit einem Elantrier zusammengesessen haben?«
»Aber... wie?«, fragte sie. Ihre Wut verwandelte sich in freudige Aufregung, als ihr klar wurde, dass er es tatsächlich war. Sie wollte ihn an der Nase packen, die viel zu lang war, um seine echte zu sein. Zu ihrer Überraschung griffen ihre Finger durch die Nasenspitze, als sei sie nicht vorhanden.
»Du hast recht gehabt, was die Aonen betrifft, Sarene«, meinte Lebensgeist rasch. »Es handelt sich um Landkarten von Arelon. Ich musste lediglich eine Linie hinzufügen, und das gesamte System hat wieder funktioniert.«
»Eine Linie?«
»Die Große Schlucht«, erklärte Lebensgeist. »Sie hat die Reod verursacht. Die Landschaft hatte sich so sehr verändert, dass diesem Umstand beim Zeichnen der Aonen Rechnung getragen werden musste.«
»Es funktioniert!«, sagte Sarene. Dann ließ sie sein Hemd los und versetzte ihm aufgebracht einen Hieb in die Seite. »Du hast mich angelogen!«
»Aua!«, klagte Lebensgeist. »Bitte, keine Schläge. Mein Körper heilt nicht. Schon vergessen?«
Sarene stieß ein Keuchen aus. »Das hat sich nicht ...?«
»Geändert, als wir AonDor neu belebt haben?«, fragte Lebensgeist. »Nein. Unter diesem Illusionszauber bin ich immer noch ein Elantrier. Mit AonDor stimmt noch etwas anderes nicht.«
Sarene widerstand der Versuchung, ihm einen weiteren Schlag zu versetzen. »Warum hast du mich belogen?«
Lebensgeist lächelte. »Ach, und nun willst du mir wohl erzählen, auf diese Weise hätte es nicht mehr Spaß gemacht?«
»Nun, also ...«
Er lachte. »Niemand außer dir würde das als berechtigte Entschuldigung durchgehen lassen, meine Prinzessin. Eigentlich hat sich mir nur nie die Gelegenheit geboten, dir die Wahrheit zu sagen. Jedes Mal, wenn ich mich dir in den vergangenen Tagen nähern wollte, bist du mir aus dem Weg gegangen. Und den Brief, den ich dir geschickt habe, hast du einfach ignoriert. Ich konnte schlecht vor dich hintreten und meinen Illusionszauber fallen lassen. Ich habe mich sogar gestern vor Kiins Haus herumgetrieben in der Hoffnung, dich am Fenster zu erblicken.«
»Tatsächlich?« Sarene lächelte.
»Du kannst Galladon fragen«, erwiderte Raoden. »Er befindet sich in diesem Augenblick in Roials Haus und isst alle ja- adorianischen Bonbons des Herzogs auf. Hast du gewusst, dass er eine Schwäche für Süßigkeiten hat?«
»Der Herzog oder Galladon?«
»Sowohl als auch. Aber schau, die anderen werden sich langsam fragen, warum wir so lange brauchen.«
»Sollen sie nur«, sagte Sarene. »Sämtliche Frauen haben nichts Besseres zu tun, als Kaloo anzuschmachten. Es wird höchste Zeit, dass ich nicht länger aus der Reihe tanze.«
Lebensgeist lachte in sich hinein. Als er jedoch den gefährlichen Blick in ihren Augen bemerkte, verstummte er wieder.
»Anders ging es einfach nicht, Sarene. Mir blieb keine andere Wahl. Ich musste schließlich meine Rolle spielen.«
»Meiner Ansicht nach hast du sie ein wenig zu gut gespielt«, sagte sie. Dann lächelte sie. Sie brachte es einfach nicht fertig, ihm böse zu sein.
Offenkundig nahm er den sanfteren Ausdruck ihrer Augen wahr, denn er entspannte sich ein wenig. »Du musst zugeben, dass es manchmal Spaß gemacht hat. Ich hatte ja keine Ahnung, dass du so eine gute Fechterin bist!«
Sarene lächelte verschlagen. »Ich habe viele verborgene Talente. Du aber anscheinend auch: Ich hatte keine Ahnung, dass du solch ein guter Schauspieler bist. Ich habe dich gehasst!«
»Es ist schön, angemessen gewürdigt zu werden«, sagte Lebensgeist und schlang die Arme um sie.
Ihr wurde schlagartig bewusst, wie nahe er ihr war. Sein Körper hatte gerade einmal Zimmertemperatur, und die unnatürliche Kühle machte sie nervös. Doch anstatt sich seiner Umarmung zu entziehen, legte sie ihm den
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