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Elantris

Elantris

Titel: Elantris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brandon Sanderson
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sie sich eingeprägt hatte, aber er würde die modifizierenden Zeichen für jedes einzelne Organ, jeden Muskel und jeden Knochen erlernen.
Sarene wandte sich wieder ihrer Betrachtung der Stadt zu. Sie hielt weiterhin Raodens Hüfte umschlungen, denn sie mochte Höhen ganz und gar nicht, vor allem dann nicht, wenn sie sich an nichts festhalten konnte. Während Raoden über ihren Kopf hinweg auf die Stadt hinausblickte, kam ihm auf einmal etwas von seinen nächtlichen Studien in den Sinn.
Er zog an ihrer Perücke. Zuerst hielt der Kleber, dann ließ sich die Perücke lösen, und die darunter befindlichen Haarstoppeln kamen zum Vorschein. Sarene drehte sich mit fragendem, ärgerlichem Blick zu ihm, aber Raoden hatte bereits zu zeichnen begonnen.
Es war kein kompliziertes Aon. Er musste nur ein Ziel festsetzen sowie die Wirkungsweise und die Zeitspanne. Als er fertig war, begannen ihre Haare zu wachsen. Träge glitten sie aus Sarenes Kopf, wie ein langsam entweichender Atemzug. Doch ein paar Minuten später war es vollbracht: Ihr langes goldenes Haar reichte ihr wieder den halben Rücken hinab.
Sarene ließ ungläubig die Finger durch ihr Haar gleiten. Dann blickte sie mit tränenverschleierten Augen zu Raoden empor. »Danke«, flüsterte sie und zog ihn näher an sich. »Du weißt ja gar nicht, wie viel mir das bedeutet.«
Kurz darauf lehnte sie sich zurück und starrte ihn mit gebannten, silbergrauen Augen an. »Zeige dich mir.«
»Mein Gesicht?«, fragte Raoden.
Sarene nickte.
»Du hast es schon gesehen«, sagte er zögernd.
»Ich weiß, aber ich gewöhne mich zu sehr an dieses hier. Ich will dein wirkliches Ich sehen.«
Die Entschlossenheit in ihren Zügen hinderte ihn daran, weitere Einwände zu erheben. Seufzend tippte er sich mit dem Zeigefinger gegen den Halsausschnitt seines Unterhemds. Für ihn änderte sich nichts, doch er konnte spüren, wie Sarene sich versteifte, als der Illusionszauber verschwand. Schlagartig stieg Scham in ihm empor, und er begann hastig, das Aon erneut zu zeichnen, doch sie hielt ihn auf.
»Es ist nicht so furchterregend, wie du meinst, Raoden«, sagte sie und strich ihm über das Gesicht. »Man sagt, eure Körper seien wie Leichen, aber das stimmt nicht. Eure Haut ist vielleicht verfärbt und ein wenig faltig, aber darunter befindet sich immer noch Fleisch.«
Ihre Finger fanden den Schnitt auf seiner Wange, und sie keuchte leise auf. »Das bin ich gewesen, nicht wahr?«
Raoden nickte. »Wie schon gesagt: Ich wusste gar nicht, was für eine gute Fechterin du bist.«
Sarene ließ ihren Finger die Wunde hinabgleiten. »Es hat mich schrecklich verwirrt, als ich keine Verletzung entdecken konnte. Warum zeigt die Illusion deine Mimik, aber keine Schnittverletzung?«
»Das ist kompliziert«, sagte Raoden. »Man muss jeden einzelnen Gesichtsmuskel mit seinem Gegenstück in der Illusion verknüpfen. Allein hätte ich das niemals geschafft. Die Gleichungen befinden sich alle in einem meiner Bücher.«
»Aber gestern Abend hast du die Illusion so schnell verändert und dich von Kaloo in Raoden verwandelt.«
Er lächelte. »Weil ich zwei Illusionszauber getragen habe. Einer ist mit meinem Unterhemd verknüpft gewesen, der andere mit meinem Mantel. Sobald ich den oberen zum Verschwinden gebracht hatte, kam der darunter zum Vorschein. Ich bin bloß froh, dass er mir ähnlich genug sieht und die anderen mich wiedererkannt haben. Es gab selbstverständlich keine Gleichungen in den Büchern, die beschrieben haben, wie ich mein eigenes Gesicht erschaffen kann. Das musste ich selbst herausfinden.«
»Du hast ganze Arbeit geleistet.«
»Ich habe mein elantrisches Gesicht als Grundlage benutzt.« Er lächelte. »Du hast großes Glück, eine Frau zu sein, deren Mann jederzeit ein anderes Gesicht aufsetzen kann. Dir wird nie langweilig werden.«
Sarene schnaubte. »Mir genügt dieses hier. Das ist das Gesicht, das mich geliebt hat, als es dachte, ich sei Elantrierin, all meiner Titel und meines sozialen Ranges beraubt.«
»Du meinst, du könntest dich daran gewöhnen?«, wollte Raoden wissen.
»Raoden, letzte Woche hätte ich beinahe Roial geheiratet. Er ist ein lieber alter Mann gewesen, aber so unglaublich unscheinbar, dass jeder Felsblock neben ihm attraktiv gewirkt hat.«
Raoden lachte. Trotz allem, trotz Telrii, Hrathen und dem Ableben des armen Roial quoll sein Herz vor Freude über.
»Was die bloß treiben?«, fragte Sarene mit einem Blick in Richtung des Palasts.
Raoden drehte sich, um ihrem Blick zu

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