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Elantris

Elantris

Titel: Elantris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brandon Sanderson
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klar, dass die Hinrichtung alles andere als willkürlich, dass sie vielmehr völlig logisch begründet gewesen war. Hrathen konnte nicht glauben, wie viel Glück Telrii gehabt hatte. Roial galt als schlauer Mann. Es war eine unglaublich günstige Fügung des Schicksals gewesen, den Herzog beim Hochverrat zu ertappen.
Doch was der Bote als Nächstes erzählte, war noch viel scho ckierender. Es gingen Gerüchte um, Prinz Raoden sei aus dem Grab zurückgekehrt.
Völlig verblüfft setzte Hrathen sich an seinen Schreibtisch. Ein Wandbehang wehte im Zugwind, als der Bote die Tür hinter sich schloss.
    Selbstbeherrschung, dachte er. Auch damit wirst du fertig werden. An dem Gerücht um Raodens Wiederkehr war natürlich nichts Wahres dran, aber Hrathen musste zugeben, dass es ein Meisterstreich war. Er wusste um den heiligen Ruf des Prinzen. Das Volk betrachtete Raoden mit einem Maß an abgöttischer Verehrung, das allein Toten vorbehalten war. Wenn es Sarene gelungen war, einen Doppelgänger aufzutreiben, konnte sie ihn als ihren Ehemann ausgeben und ihren Thronanspruch selbst nach Roials Tod aufrechterhalten.
    Sie arbeitet zweifellos schnell, dachte Hrathen mit einem respektvollen Lächeln. Dass Telrii Roial einfach so niedergemetzelt hatte, ließ Hrathen immer noch nicht los. Den Herzog ohne Gerichtsverhandlung oder Gefängnisstrafe ermordet haben zu lassen würde bei den anderen Adeligen noch mehr Angst aufkommen lassen. Hrathen erhob sich. Vielleicht war es noch nicht zu spät, Telrii zu überzeugen, dass er wenigstens einen Hinrichtungsbefehl verfassen sollte. Es würde die adeligen Gemüter beruhigen, wenn sie solch ein Dokument lesen konnten.
Telrii weigerte sich, mit ihm zu sprechen. Hrathen stand wieder in dem Vorzimmer und starrte mit verschränkten Armen zwei Wächter an. Die beiden Männer blickten verlegen zu Boden. Anscheinend hatte Telrii etwas derart aus der Fassung gebracht, dass er überhaupt keine Besucher empfing.
Hrathen hatte nicht vor, sich abweisen zu lassen. Zwar konnte er sich nicht mit Gewalt Zutritt zu dem Audienzsaal verschaffen, aber er konnte derart lästig werden, dass Telrii sich letzten Endes doch bereit erklärte, ihn zu empfangen. Aus diesem Grund hatte er die letzte Stunde damit verbracht, alle fünf Minuten um eine Audienz zu ersuchen.
Jetzt war es wieder einmal an der Zeit, dass er forderte, vorgelassen zu werden. »Soldat«, befahl er. »Fragt den König, ob er gewillt ist, mich zu empfangen.«
Der Soldat seufzte, genau wie die letzten sechs Male, die Hrathen diese Forderung vorgebracht hatte. Doch der Wächter öffnete die Tür und machte sich gehorsam auf die Suche nach seinem Kommandeur. Kurz darauf kehrte der Mann zurück.
Hrathens Frage blieb ihm im Hals stecken. Es war gar nicht derselbe Mann.
Der »Wächter« zückte sein Schwert und griff den zweiten Wächter an. Geräusche von Metall, das auf Metall schlug, drangen aus dem Audienzsaal des Königs, und Männer schrien; manche aus Wut, andere vor Schmerzen.
Hrathen fluchte. Ein Gefecht ausgerechnet an dem einen Abend, an dem er seine Rüstung nicht angelegt hatte! Mit zusammengebissenen Zähnen stürzte er an den kämpfenden Soldaten vorbei und betrat den Saal.
Die Gobelins standen in Flammen, und in der Enge rangen Männer verzweifelt miteinander. Etliche Soldaten lagen tot an der gegenüberliegenden Tür. Manche trugen das Braun und Gelb der elantrischen Stadtwache. Die anderen waren in Silber und Blau gekleidet: den Farben von Graf Eondels Armee.
Hrathen wich ein paar Angriffen aus, duckte sich unter Klingen oder hieb sie den Männern aus den Händen. Er musste den König finden. Telrii war zu wichtig um
Die Zeit gefror, als Hrathen den König durch das Handgemenge erblickte. Brennende Stoffstreifen fielen von den Brokatbehängen an der Decke. Telriis Augen waren vor Angst weit aufgerissen, als er auf die offene Tür an der Rückwand des Saa les zustürzte. Eondels Schwert erreichte Telriis Genick, bevor der König auch nur ein paar Schritte weit gekommen war.
Telriis kopflose Leiche fiel Graf Eondel vor die Füße. Der Graf betrachtete sie mit grimmigem Blick und brach dann selbst zusammen, die Hände auf eine Wunde an seiner Seite gepresst.
Regungslos stand Hrathen inmitten des Gemenges. Während er die beiden Leichen betrachtete, war das Chaos um ihn her für einen Augenblick vergessen. So viel dazu, einen blutigen Machtwechsel vermeiden zu wollen, dachte er resigniert.
Dritter Teil - Elantris Lebensgeist
     
Kapitel 55

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