Elben Drachen Schatten
gefunden. Allerdings war er schon fast gänzlich zu Staub zerfallen.
"Nun haben wir keine Spur mehr, der wir folgen könnten", meinte Edro. Schweigend wanderten sie weiter - ziellos. Allerdings kamen sie nicht besonders schnell voran, denn sie trafen immer wieder auf urzeitliche Monstren, die ihnen mitunter gefährlich zusetzten.
"Fürwahr eine seltsame Welt!", stieß Mergun hervor und Krasi der Geisterbeschwörer nickte leicht. Irgendein Geheimnis verbarg diese Welt. Warum hatte der schreckliche Retned sie hier her geholt? Mergun umklammerte fest den schlichten Griff seines Schwertes. Er dürstete danach, endlich dem grausamen Rattengott gegenüberzustehen. Nach einer Weile des langsamen Dahintrottens erreichte die Gruppe schließlich einen Fluss. Jedenfalls nahm Edro an, dass es sich um einen Fluss handelte. Das andere Ufer war nicht einmal als Silhouette zu sehen, so dicht waren die kalten, von einem steten Wind in Bewegung gehaltenen Nebelschwaden, die diese Welt zu einer Hölle machten. Der Fluss wies eine starke Strömung auf und das Wasser schien sauber zu sein. Garot der Starke und Phakl der Schlaue beugten sich nieder, um zu trinken.
"Halt!", donnerte Edro. "Wir wissen nicht, ob dieses Wasser giftig ist!" Garot zuckte lediglich mit den Schultern.
"Ich habe Durst und dieses Wasser hier sieht sauber aus."
"Ich habe auch Durst, aber ich will mich nicht vergiften", entgegnet der Dakorier. Garot und Phakl wechselten noch einen unschlüssigen Blick miteinander und entschlossen sich schließlich doch dazu, das Wasser zu trinken.
"Ein Genuss ist es wahrlich nicht!", begann Phakl zu schimpfen. Er spuckte heftig. Edro und Mergun setzten sich unterdessen auf den staubigen Boden, um sich auszuruhen.
"Wenn nicht bald etwas passiert, dann sterben wir wirklich an Hunger und Durst", murmelte Edro düster. Seine Stirn hatte sich in bedrohliche Falten gelegt.
"Ich glaube nicht an Wunder", bekannte Mergun schwer. Er seufzte.
"Ihr solltet dennoch auf eines hoffen, Herr Mergun."
"Vielleicht habt Ihr ja recht." Irgendwo in den blauen Nebelschwaden über dem Fluss tauchte die Silhouette eines Bootes auf. Blitzschnell sprang Edro auf und alarmierte die anderen. Sie sahen das Boot immer näher herankommen. Nur ein Mann saß in ihm und ruderte.
"Vielleicht ist es Retned!", vermutete Phakl angstvoll.
"Das glaube ich nicht. Würde ein Gott rudern?", erwiderte Krasi. Doch Mergun zuckte nur mit den Schultern.
"Ich habe bereits viele seltsame Götter kennengelernt", knurrte er nur. Die Hand hielt er an seinem Schwertgriff. Jetzt winkte ihnen der Mann im Boot zu. Er hatte sie offenbar bemerkt.
"Warum winkt er?", fragte Phakl der Schlaue.
"Ich weiß es nicht", brummte Krasi und winkte zurück. Die Möglichkeit, es könne sich bei dem Mann im Boot um Retned handeln verlor in den Augen der am Ufer Stehenden mit jedem Meter, den das Boot näher kam, mehr an Wahrscheinlichkeit. Schließlich legte es am Ufer an und der Insasse sprang an Land. Sein Gesicht war von ekeligen Pocken - blauen Pocken - übersät. Der Mann war mit Sicherheit krank.
"Hallo!", grüßte er und wedelte mit den Armen. Und Edro grüßte zurück.
"Was macht ihr noch auf dieser Seite des Flusses?", fragte der Bootsinsasse dann. In seinen Zügen lag deutliches Erstaunen.
"Warum sollten wir nicht hier sein?", erkundigte sich Edro, wobei sich seine Stirn misstrauisch in Falten legte.
"Herr, so wisst Ihr es nicht, dass alle Gesunden in Bedin Zuflucht suchen sollen?"
"Bedin? Ist das eine Stadt oder ein Land? Oder gar eine Welt?", fragte Mergun.
"Ihr kennt nicht Bedin, die große Kuppelstadt auf der anderen Seite des Flusses?"
Edro trat zu dem verdutzten Mann hin und legte ihm eine Hand auf die Schulter. "Wir sind nicht von dieser Welt, mein Freund. Ein wahnsinniger Gott holte uns hier her. Nur er selbst mag wissen, warum eigentlich. Bis jetzt sind wir nicht einmal einem seiner Abgesandten begegnet - geschweige denn ihm selbst. Sein Name ist Retned. Wie er aussieht wissen wir nicht, aber man munkelt, dass er sich in vielerlei Verkleidungen zeigen würde. Habt Ihr von ihm gehört, guter Mann?" Edro aus Dakor starrte hoffnungsvoll in das blutlose, voll Pocken übersäte Gesicht seines Gegenübers. Der Mann mit dem Boot nickte schließlich.
"Retned ist der Herr von Bedin!", stieß er hervor.
"Kannst du uns zu dieser Stadt bringen?" Zu Edros Entsetzen verneinte der Mann.
"Nur die Gesunden dürfen noch auf die andere Seite des Flusses!" Er lächelte gequält.
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