Elben Drachen Schatten
Brauen. „Was ist die menschliche Seele, Saphax?“
„Ich weiß es nicht, Herr. Ich bin weder Priester noch Gelehrter, sondern ein einfacher Diener.“
Groß und hell schien der Mond auf die Ebene herab. Die meisten derer, die sich an diesem Kreuzzug ihres Gottes Taykor beteiligten, hatten sich neben die Feuer gelegt und waren eingeschlafen. Ein anstrengender Tag lag hinter ihnen und morgen würde ein weiterer folgen.
Nachtgespenstern gleich schlichen die Wachposten umher und beäugten misstrauisch die Umgebung. Aber da war nichts, was sich bewegte, außer ihnen selbst - und ihrem König.
Thiro konnte im Gegensatz zu Ovamnus nicht schlafen. Ruhelos spazierte er um das Lager und dachte nach, wobei er sich langsam aber sicher mehr und mehr von den Feuern entfernte. Er wollte ungestört sein.
Er setzte sich ins Gras und schaute den Mond an.
Als er plötzlich hinter sich ein Geräusch hörte, fuhr seine Hand zu dem Griff des langen, schmalen Schwertes an seiner Seite. Er wandte sich um und blickte in die traurigen Augen eines kleinen Gnoms.
„Bitte...“
„Was wollt Ihr, Fremdling?“, fauchte Thiro den Gnomen an.
„Ihr könnt euer Schwert getrost dort lassen, wo es ist.“
Thiro nickte und nahm die Hand von der Waffe. Die Haltung des Kleinen straffte sich. Er räusperte sich.
„Es wäre sehr wohl angemessen, wenn Ihr mir ein wenig mehr Respekt entgegenbringen würdet!“
Thiro lacht herzhaft.
„Was glaubt Ihr wohl, wer ich bin, kleiner Mann?“
„Nun, mehr als ich werdet Ihr sicherlich nicht sein!“
„Ich bin der König von Gunland!“
Der Gnom zuckte mit den Schultern. „Und ich bin Shaykaliin, der Gott!“
„Ihr seid ein Gott?“ Thiro schmunzelte unwillkürlich. „Besonders groß scheint Eure Macht aber nicht zu sein! Lasst Euch genauer im Mondlicht betrachten... Ah, ich glaube Euch zu erkennen...“
„Das will ich hoffen! Im Pantheon Eurer eigenen Hauptstadt Gun gibt es eine Statue von mir!“
„Ja, in irgendeiner Ecke, wo die unwichtigeren Götter des Uytrirran, des heiligen Berges, ihren Platz haben ...“
„Der äußere Schein trügt... Meine Macht ist weitaus größer, als Ihr glaubt. Wenn ich wollte, könnte die Kraft meines Willens Euch in eine Ratte oder einen Stein verwandeln! Ich könnte ein ganzes Universum erschaffen oder den Mond vom Himmel holen und ihn auf dem großen Ozean schwimmen lassen!“
„Und warum tut Ihr es dann nicht?“
„Reine Bescheidenheit meinerseits.“
„Ein bescheidener Gott! So etwas muss man wahrlich mit eigenen Augen gesehen haben!“
Der Kleine wurde böse. „Ich warne Euch im Guten! Macht Euch nicht über mich lustig!“
„Ich werde mich zusammennehmen, edler Gott! Aber bei Euren Ausführungen ist es nicht einfach, ernst zu bleiben.“
Der gnomenhafte Gott verzog schmollend die Mundwinkel.
„Aber vielleicht könntet Ihr mir dabei helfen, mein Problem zu lösen“, meinte der König dann plötzlich.
„Die Götter sind nicht dazu da, sich um die Probleme der Sterblichen zu sorgen“, erklärte Shaykaliin hochnäsig.
„Und wenn ich Euch darum bitten würde? Ich habe nur eine einzige Frage, die Ihr mir beantworten müsst, kleiner Gott! Im Übrigen nehme ich alle zurück, was ich eben gesagt habe...“
Shaykaliin seufzte.
„Also gut. Worum geht es?“
„Ist es möglich, dass ein Gott denen, die an ihn glauben, die Seele raubt?“
Shaykaliin machte eine ruckartige Bewegung und sah Thiro erstaunt an.
„Weshalb wollt Ihr das wissen?“
„Nur so. Es interessiert mich eben.“
Der Gnom zuckte mit den Schultern.
„Also gut. Ja, es ist gut möglich, dass ein Gott denen, die an ihn glauben, die Seele nimmt. Denn dann ist er ihrer Loyalität in jedem Falle versichert. Manchmal passiert es unbewusst. Es gibt viele Götter, die gar nicht bemerken, wie sie den Sterblichen die Seele stehlen. Oft genug bemerken auch die Sterblichen es nicht.“
Der Kleine hielt für einen Moment inne.
„Ihr habt für eure Frage sicherlich einen bestimmten Grund?“
Skaykaliins Augen waren die eines Kindes: unschuldig und natürlich. Aber Shaykaliin war kein Kind. Er war ein Gott.
„Ich habe heute einen Mann gesehen“, erklärte Thiro, „den man ans Kreuz geschlagen hatte. Er behauptete, ihm sei deshalb dieser schreckliche Tod zugedacht worden, weil er sich geweigert habe, sich von einem Gott die Seele nehmen zu lassen. Und nun möchte ich gerne wissen, ob diese Geschichte wahr oder erfunden ist.“
Shaykaliin zuckte mit den
Weitere Kostenlose Bücher