Elben Drachen Schatten
Magie«, erwiderte der Elbenkönig. »Und im Übrigen glaube ich, dass du vom Talent her Andir kaum nachstehst – auch wenn du dich weder um Aufnahme in den Schamanenorden noch um Beitritt zur Magiergilde bemüht hast.«
Nach zwei Monaten Vorbereitungszeit brach die »Tharnawn« auf. Als Keandir sich von Ruwen verabschiedete, hatte er das Gefühl, dass sie eine besondere Innigkeit in ihre letzte Umarmung legte und es ihr vollkommen widerstrebte, ihn schließlich loslassen zu müssen.
»Ich habe schlecht geträumt«, sagte sie. »Von Kämpfen, Zerstörung und Tod. Ich sah keine Gesichter, aber am Morgen fühlte ich mich fast taub von den Todesschreien und dem Wehklagen der Zurückgebliebenen.« Sie seufzte. »Träume von dieser Intensität sind niemals ohne Bedeutung, dass weißt du so gut wie ich, Kean …«
»Mach dir keine Sorgen, Ruwen. Ich habe das Schicksal selbst bezwungen – wer sollte mir etwas anhaben?« Seine eigene Besorgnis versuchte Keandir nicht nach außen dringen zu lassen, aber vor Ruwen konnte er sie nicht verbergen. Zu lange kannten sie einander.
Ihr Lächeln wirkte matt. »Ich habe Angst um dich und unseren Sohn Magolas. Vielleicht bin ich eine Närrin und nur einfach zu sehr daran gewöhnt, dass ihr die sicheren Mauern dieser Burg nicht verlasst. Vielleicht sollte ich tatsächlich etwas mehr Vertrauen zu dem König haben, der mächtig genug war, ein neues Schicksal zu schaffen.«
»Allerdings, das solltet Ihr, Königin der Elben und meines Herzens.«
Noch lange stand Ruwen am Hafen und blickte der »Tharnawn« nach. Andir stand hinter ihr. König Keandir hob noch einmal die Hand zum Gruß, während Magolas neben ihm am Heck der »Tharnawn« stand.
Prinz Sandrilas war bei der Verabschiedung nicht zugegen. Er war als Befehlshaber des Elbenheers in den Nordosten Elbianas unterwegs. Auf die Elbensiedlung Turandir, die an den Ufern des Quellsees lag, dem der Nur entsprang, und somit bereits zum Herzogtum Nordbergen gehörte, hatten die Trorks wiederholt Überfälle verübt. Die Zentauren des angrenzenden Waldreichs konnten offenbar der Lage allein nicht mehr Herr werden, doch Sandrilas wollte sich selbst ein Bild von der Situation machen, bevor Maßnahmen ergriffen wurden.
Siranodir mit den zwei Schwertern und Thamandor der Waffenmeister aber befanden sich an Bord der »Tharnawn« und machten die Reise nach Süden mit. Letzterer hatte den Stein des magischen Feuers, den er auf Naranduin mitgenommen hatte, zu einem feinen Pulver zerstoßen und wollte dieses als magischen Brennstoff für eine Flammenlanze verwenden. Ihm schwebte eine Waffe vor, die den Feind auf einer Distanz von fünf Schiffslängen verbrennen konnte, und die ersten Versuche waren auch ganz viel versprechend gewesen. Aber dann hatte er seine Experimente erst einmal aufgeben müssen, nachdem er versehentlich den Dachstuhl des Hauses entzündet hatte, in dem sich sein Quartier befand. Um ein Haar wäre es in Elbenhaven zu einem verheerenden Brand gekommen, hätte es Andir nicht geschafft, genügend Elementargeister zu rufen; die hatten für einen wolkenbruchartigen Regen gesorgt, sodass der brennende Dachstuhl gelöscht wurde, ehe die Flammen auf andere Gebäude übergriffen.
Seitdem durfte Thamandor seine Experimente nur noch außerhalb der Mauern von Elbenhaven durchzuführen, und den Waffenmeister ärgerte dies gewaltig. Die Allgemeinheit war nicht bereit, ein paar kleinere Risiken in Kauf zu nehmen, die aber nun mal mit jeder Erfindertätigkeit und jedem Fortschritt einhergingen. Dabei profitierten doch letztlich alle Elben von Elbiana davon, wenn Thamandor Waffen schuf, mit denen eine verhältnismäßig kleine Anzahl von Elbenkriegern die recht langen Grenzen des Reiches zu bewachen vermochten.
Jedenfalls war dem Waffenmeister bei all dem Ärger der letzten Zeit eine Ablenkung gerade recht.
Der Weg der »Tharnawn« führte durch die Meerenge von Elralon. Doch anschließend folgte Kapitän Garanthor nicht mehr der Küste; die fortgeschrittene Navigationskunst der Elben und die Fähigkeit, gegen den Wind zu kreuzen, erlaubte auch Seereisen, bei denen man lange Zeit kein Land sah, an dem man sich hätte orientieren konnte. Für ein Zeitalter hatten die Elben solche Reisen gescheut und waren darauf bedacht gewesen, nie den Blick zur Küste zu verlieren. Das war wohl eine Folge der Erfahrungen, die man während der von Athranor aus begonnenen Seereise gemacht hatte, als man sich im zeitlosen Nebelmeer verirrt und dort
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